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RE: European Stories

Season 5 2020 - 2021

  • 2020-08-10T17:45:00Z on Arte
  • 32m
  • 3d 12h 48m (159 episodes)
  • Germany
  • German, English, French
  • Documentary
Reportage magazine that reports mono-thematically on a European topic - regardless of whether it is election reporting, country portraits or the presentation of a single person who implements a European project on a small scale. (Text: JN)

159 episodes

Fadosängerin Henriqueta Baptista trat vor dem Lockdown jeden Abend im Altstadtviertel auf. Seit Mitte Juni haben die Fado-Restaurants wieder geöffnet, bleiben aber meistens leer. Henriqueta geht trotzdem hin, denn Fado ist ihr Leben. Auch Surflehrer Pedro Carvalho hofft nach dem Lockdown auf den Sommer. Touristen lassen auf sich warten. Immerhin kann er Kinder aus der Umgebung unterrichten. Er hat Geldsorgen, aber auch mehr Zeit für seinen Sport. Tuktuk-Fahrer Hugo Samora hat die Krise besonders hart getroffen. Auf Kundschaft wartet er vergeblich. Er weiß nicht, wie es weitergehen soll. (Text: arte)

Der Urlaub sieht für viele in diesem Sommer anders aus als erwartet. Trotz Reiseerleichterungen in den EU-Ländern befürchtet die bulgarische Tourismusbranche, die jedes Jahr Milliarden Euro erwirtschaftet, massive Verluste. Wie viele Touristen werden in diesem Sommer an den Sonnenstrand kommen? Wie kann die bulgarische Schwarzmeer-Region, die sich in den letzten Jahren vom Geheimtipp zum Urlaubs-Hotspot gerade auch für westeuropäische Touristen gemausert hat, die Corona-Krise überleben? Vladislav (30) ist Manager in einem Hotel direkt am Sonnenstrand und lebt gemeinsam mit seiner Frau, die hier als Köchin arbeitet, im Hotel. Der Vier-Sterne-Komplex ist erst seit wenigen Jahren in Betrieb und muss in diesem Jahr aufgrund der globalen Corona-Krise mit einem heftigen Einbruch rechnen. Vladislav hofft, dass zumindest Inlandstouristen und Urlauber aus den Nachbarländern in dieser Saison seine Gäste sind und das Hotel überleben kann.

Griechenland hat die Corona-Krise im europäischen Vergleich bis jetzt gut gemeistert. Von entscheidender Bedeutung ist nun die touristische Sommersaison. Die Branche trägt gut 30 Prozent zur jährlichen Wirtschaftsleistung bei. Seit dem 15. Juni dürfen Saisonhotels wieder öffnen. Die Ferieninsel Kos lebt vom Pauschaltourismus. Doch noch immer gehen wegen Corona Stornierungen ein und werden Flüge abgesagt. Matina Christodoulidou, Eigentümerin mehrerer Hotels, hat sich entschieden, wenigstens zwei ihrer fünf Häuser zu öffnen. Noch wenige Stunden vor dem Start paukt sie mit den Mitarbeitern Verhaltensregeln: „Abstand, Abstand, Abstand!“ Die Gäste sollen sich sicher fühlen. Nicht zuletzt aus Solidarität mit den Gastgebern haben viele Stammgäste auch in diesem Jahr wieder gebucht. In ihrer Lieblingsstrandbar ist das Bestellen und Bezahlen jetzt berührungslos mit einer App organisiert. „Wir lassen uns den Urlaub vom Virus nicht vermiesen.

Die Biologen Heinrich Belting und Johannes Melter wollen genau wissen, warum es immer weniger Wiesenvögel in Deutschland gibt. Dazu rüsten sie Uferschnepfen mit Funksendern aus und folgen ihnen in die Überwinterungsgebiete nach Afrika. Dabei wird klar: Trotz einiger Probleme in den Winterquartieren sterben hierzulande deutlich mehr Vögel als auf den Zügen. Im Vogelschutzgebiet Dümmer in Niedersachsen haben die Forscher deshalb optimale Bedingungen für die Vögel geschaffen. Mit Bewässerungsschleusen und Landankauf. Ihr Projekt soll jetzt auf 13 andere Gebiete in Deutschland übertragen werden. Im Berliner Regierungsviertel untersucht Vogelschutzexpertin Claudia Wegworth, wie dramatisch sich die Zunahme von Glasfronten an Gebäudekomplexen auf die Vogelwelt auswirkt. Eine Arbeitsgemeinschaft der deutschen Vogelwarten schätzt, dass allein in Deutschland jedes Jahr mehr als 100 Millionen Vögel durch den Flug gegen Glasscheiben sterben.

Auf Rügen und Usedom leben mehr als 80 Prozent der Bewohner vom Tourismus. Die Einnahmen vom vergangenen Sommer reichten gerade so, um über den Winter zu kommen. Im Frühjahr wusste noch niemand, wie lange die Ausnahmeregelungen gelten würden. Gastronomen, Hoteliers und andere Dienstleister bangten um ihre Existenz. Sven hat sein Eiscafé auf Usedom gerade erst übernommen und all seine Ersparnisse in die Renovierung gesteckt. Er ist auf seine polnischen Mitarbeiter angewiesen, die im fünf Kilometer entfernten Swinemünde leben. Karolina aus Polen betreibt auf Rügen eine Reinigungsfirma. Seit Januar hatte sie keine Aufträge und keine Mitarbeiter mehr. Erst der Saisonstart bringt wieder Arbeit, viele neue Vorschriften und Hoffnung für das kleine Unternehmen. Ihre eigene Familie hat Karolina seit Monaten nicht mehr gesehen.Astrid führt mit ihrer Tochter zusammen ein Hotel in Binz auf Rügen.

„Du bist so schön! Wie machst du das?“ In den Kommentarspalten unter den Videos und Fotos von Influencerinnen werden sie sichtbar – die vielen jungen Frauen, die ihren weiblichen Idolen in den sozialen Medien nacheifern. Die Internetstars teilen mit ihren Followern Tipps zu Ernährung oder Work-out, zum besten Styling. Im schlimmsten Fall wird dieser Drang nach Selbstoptimierung zur Sucht, nicht selten zur Magersucht. „Re:“ begleitet Betroffene, die mit der Krankheit kämpfen oder auf dem mühevollen Weg der Genesung sind: darunter eine 14-Jährige, die nach zehn Monaten Klinikaufenthalt nach Hause zurückkommt. Schlank ist sie immer noch, aber sie hat große Fortschritte gemacht. Als sie eingeliefert wurde, war sie zum Gehen zu schwach und musste per Magensonde ernährt werden. Jetzt gilt es, das in der Klinik Erlernte auch im Alltag umzusetzen. Die Influencerinnen, denen sie früher folgte, hat die junge Frau mittlerweile auf ihrem Handy gelöscht.

Ökolandwirtin Stephanie Strotdrees aus Harsewinkel im Münsterland hat ein Ziel: Alles, was wir in Zukunft essen, soll irgendwann ökologisch angebaut sein. „100 Prozent Bio in der Landwirtschaft hinzubekommen, ist für mich keine Vision, sondern es ist zwingend notwendig. Wir können nicht so weitermachen wie bisher.“ Als Vizepräsidentin des Anbauverbands Bioland ist sie als eine der Ersten ein Vertragsverhältnis mit großen Discountern und Supermarktketten eingegangen. Nicht nur auf dem Acker, auch an den Hochschulen feilen Visionäre an nachhaltigen Ideen für die Zukunft. Wissenschaftler der Universität Tübingen sind einem Zuckermolekül auf der Spur, das die Landwirtschaft revolutionieren könnte. Sie forschen an einer Glyphosat-Alternative, die auf natürlichen Stoffen basiert und biologisch abbaubar ist – ein möglicher Ersatz für das umstrittene Pflanzenschutzmittel. Riesige Landmaschinen fahren über die Äcker von Bernhard von Weichs aus Borlinghausen im Kreis Höxter.

Für die einen ist sie das Einfallstor nach Europa, für die anderen Erholungsort: die Mittelmeerinsel Lampedusa. Durch ihre exponierte Lage ist sie zum Dreh- und Angelpunkt für Flüchtlinge aus Afrika und dem Nahen Osten auf ihrer Reise in eine bessere Welt avanciert. Fast täglich landen im Sommer Boote mit Migranten an. Doch die kleine Insel ist dem Ansturm nicht gewachsen, und die Stimmung in der Bevölkerung angespannt. Viele Insulaner wollen den Flüchtlingen keinen Aufenthalt mehr gewähren, auch wenn dieser nur vorübergehend ist. Corona hat die Situation noch verschärft. Auf Lampedusa gibt es kein Krankenhaus. Sollte das Virus auf die Insel eingeschleppt werden, droht eine Gesundheitskatastrophe. Angela Maraventano betreibt seit Jahrzehnten ein Restaurant am Hafen. Sie lebt vom Tourismus. Die Insel gilt vor allem bei Italienern als Geheimtipp. In ihrer Freizeit macht die ehemalige Lega-Abgeordnete mobil gegen die Flüchtlinge.

Unterfranken leidet unter zunehmender Trockenheit und das sorgt für Konflikte – vor allem nördlich von Würzburg, wo intensiver Gemüsebau betrieben wird. Winzer und Gemüsebauern stehen vor großen Herausforderungen, denn der Klimawandel vor ihrer Haustür entwickelt sich viel schneller als von den Behörden prognostiziert. Gemüsebauer Thomas Schwab aus Remlingen im Westen von Würzburg sitzt weitgehend auf dem Trockenen, seit ein Brunnen versiegt ist, der seinen Bewässerungsteich speist. Für ihn hat ein zähes Ringen um einen Ersatzbrunnen begonnen. Um zukunftsfähig zu werden, arbeitet der Landwirt aber auch an Lösungen, die es ihm ermöglichen, künftig mit deutlich weniger Wasser auszukommen. Die Inspiration dazu hat er sich aus Israel und Kalifornien geholt. Andere Konzepte setzen auf die Nutzung von Mainwasser, um lange Trockenperioden zu überstehen. Doch viele Bürger fürchten die Konsequenzen: noch mehr intensiver Gemüsebau und Folientunnel?

Die Textilbranche ist einer der größten Umweltverschmutzer weltweit. Was zählt, sind Masse und Preis. Ralf Hellmann will das ändern. Seine Firma stellt Bett- und Tischwäsche für Hotels, Krankenhäuser und Restaurants her. Wie fast alle Textilhersteller hat er die Produktion längst in Länder außerhalb Europas verlagert, unter anderem nach Indien. Trotz der Entfernung schaut er genau hin: Jeder Produktionsschritt soll umwelt- und sozialverträglich sein – und ganz transparent. „Von den meisten Produkten, die wir nutzen“, sagt er, „wissen wir gar nicht, wo sie herkommen“. Um das zu ändern, organisiert der Unternehmer für seine Kunden Reisen nach Indien; dorthin, wo alles beginnt: bei den Baumwollfarmern. Er hofft, wenn seine Abnehmer einmal in ihrem Leben sehen, wer ihre Laken und Tischdecken herstellt, werden sie bereit sein, mehr Verantwortung zu übernehmen – und höhere Preise akzeptieren. Rolf Slickers, ein Großkunde, reist mit.

Jeden Monat verteilt die Berliner Tafel rund 660 Tonnen übrig gebliebene Lebensmittel an rund 125.000 Bedürftige. Allein 50.000 Menschen kommen zu den Ausgabestellen des Kooperationspartners „Laib und Seele“. Das oberste Prinzip: Lebensmittel gehören nicht in die Tonne, sondern auf den Tisch. Das findet auch der Berliner Start-up-Gründer Raphael Fellmer. Sein Unternehmen Sirplus betreibt seit 2017 sogenannte Rettermärkte in Berlin und bald auch bundesweit zusätzlich zum Onlineshop. Dort werden Lebensmittel günstig verkauft, die ansonsten weggeworfen worden wären. Der Umsatz von Sirplus lag 2018 nach eigenen Angaben bei 1,2 Millionen Euro. Nun tritt auch ein Riese auf den deutschen Markt: Das bereits in Schweden fest etablierte Unternehmen Matsmart eröffnet seinen Onlineshop in Deutschland. Der Gründer Karl Andersson ist überzeugt davon, dass man den Kampf gegen die Verschwendung nur mit den Mitteln des Marktes führen kann.

„Wenn der Moment nicht passt dann muss ich denn Finger lang lassen. Wenn der Moment gekommen ist, der richtige schaut, den Kopf im richtigen Winkel dreht – wie soll ich es sagen – dann ist es meine Verantwortung, abzudrücken.“ Zusammen mit Tierschützern, Wissenschaftlern, Politikern und anderen Landwirten erwirkten sie in der Schweiz eine Gesetzesänderung. Am 1. Juli 2020 ist ein neues Gesetz in Kraft getreten. Danach ist die Weide- und die Hoftötung im Stall entweder mit Kugel- oder mit Bolzenschuss bei Nutztieren generell erlaubt. Ein Meilenstein sagt Nils Müller. Damit sei die Schweiz in Sachen Tierschutz der EU weit voraus. Viele Landwirte in Europa sehen es genauso. Zum Beispiel Mechthild Knösel aus Überlingen am Bodensee. Doch die Veterinärbehörden legen ihr viele Steine in den Weg und argumentieren mit EU-Recht. Ihre Forderung lautet daher: die EU solle sich an der Schweiz ein Beispiel nehmen und die Schlachtung auf dem Hof vereinfachen. (Text: arte)

Bezahlbarer Wohnraum und Bauland sind knapp. Die Spekulation floriert. Viele Kommunen haben die Kontrolle über die eigene Stadt verloren. Deshalb werden immer mehr Menschen selbst aktiv. Nirgendwo in Deutschland ist Wohnen so teuer wie in München. Das spürt auch Unternehmer Tobias Schmid: „In meinem Betrieb fehlen die Fachkräfte. Hier bewirbt sich niemand, weil niemand die horrenden Mieten hier zahlen kann!“ Statt den Betrieb auszubauen, wird er selbst zum Bauherrn und Vermieter. Werkswohnungen erleben überall in Deutschland derzeit ein Revival. Darunter Unternehmen, die bereits eine lange Tradition pflegen. So auch die ÜSTRA – die Nahverkehrsbetriebe in Hannover. Zu den 500 Immobilien im Bestand, wird ein neues ökologischen Bauprojekt umgesetzt: eine nachhaltige Investition in die Mitarbeiter und den Standort. Was wäre, wenn jeder bauen kann, wie er will? In Almere südlich von Amsterdam ist das möglich.

Bei Florian Oymans aus Geldern am Niederrhein lagern noch immer 1,5 Millionen Kilogramm Kartoffeln, die Hälfte seiner Ernte aus dem letzten Jahr. Was mit den Kartoffeln im Wert von 225.000 Euro passiert, weiß er noch nicht. Die Kartoffelsorte eignet sich ausschließlich für die Pommes Frites-Produktion. Dazu stehen schon wieder neue Kartoffeln auf dem Feld und müssen bald geerntet werden. Auch sie haben bislang keinen Käufer. Außerdem setzen dem Landwirt die Folgen des Klimawandels zu. Florian Oymans steckt deshalb mit seinem Betrieb in der Klemme. Ernst-Rainer Schnetkamp ist Geschäftsführer eines der größten deutschen Pommes-Frites-Produzenten. Normalerweise laufen in seiner Fabrik in Niedersachen pro Jahr 50 Millionen Kilogramm Tiefkühl-Pommes-Frites vom Band. Doch seit der Pandemie ist der Verkauf um bis zu 90 Prozent eingebrochen. Seine Kühllager sind bis obenhin voll. Abnehmer gibt es nicht.

Eigentlich würde Johannes Braun nach der Winterpause mit seiner Familie von Volksfest zu Volksfest ziehen. Aber in seinem Hof bei Nürnberg steht alles still: Autoscooter, traditionelles Kinderkarussell, Süßwarengeschäft. Johannes Braun wird aktiv, um wenigstens einen kleinen Teil seines finanziellen Ausfalls zu kompensieren: Auf dem Grafenauer Stadtplatz verkauft er an drei Tagen pro Woche gebrannte Mandeln und Zuckerwatte. Und nach langen Verhandlungen mit der Stadt darf er Ende Juni mitten in Nürnberg endlich auch sein Kinderkarussell aufbauen – ein kleiner Trost für eine verlorene Saison. Auch die junge Augsburger Schaustellerin Stefanie Schmidt begleitet die Reportage durch die Krisenzeit. Wird es 2020 überhaupt noch ein Volksfest geben? Und wird sie wenigstens auf dem Weihnachtsmarkt in Augsburg noch etwas verdienen? Sie muss hohe Kredite abbezahlen, denn sie hat investiert, um ihre Hexenküche auszubauen und konkurrenzfähig zu bleiben.

Adam ist erst zehn Jahre alt und steht schon vor der bislang wichtigsten Prüfung seines Lebens. Er möchte nach der fünften Klasse auf das Gymnasium – früher als üblich in Tschechien. Doch die Plätze in den staatlichen Sondergymnasien sind rar. Nur die Besten schaffen die Aufnahmeprüfung. Deshalb muss Adam ein Jahr lang büffeln. Fußball spielen mit Freunden ist vorerst passé. Eine Art vorzeitiger Abschied von der Kindheit.Nicht nur deshalb gilt für die Grundschuldirektorin Katerina Vavrova die Devise: Gymnasium – ohne uns! Denn Tschechiens Bildungssystem setzt eigentlich auf ein langes, gemeinsames Lernen von schwachen und starken Kindern. Bis einschließlich zur achten Klasse geht die Grundschule regulär, erst ab der neunten beginnt das Standardgymnasium. Katerina Vavrova will ihre Kinder zusammenhalten und zeigen, dass man in der Gemeinschaft genauso weit kommen kann wie bei der Selektion vorgeblicher Eliten.Adams Eltern sehen das anders.

Franziska Walleit (34) aus Berlin-Hellersdorf hat vier Kinder und wohnt in einem sozialen Brennpunkt. Mit der Corona-Pandemie wurde die Mama von Felix (11), Emilia (7), Oskar (6) und Emil (4) plötzlich zur Lehrerin und Kita-Erzieherin. Dazu kommen die finanziellen Sorgen. Partner Andreas ist in Kurzarbeit. Geld geben die Walleits nur noch für Lebensmittel, Miete und Mietnebenkosten aus. Der Urlaub auf dem Campingplatz wurde gestrichen. Einmal die Woche bringt Bernd Siggelkow, der Begründer der privaten Kinder- und Jugendeinrichtung „Arche“, Lebensmittel vorbei. Für viele im Beton-Kiez Hellersdorf ist er derzeit der wichtigste Ansprechpartner. Für Familie Sangare im Pariser Vorort Bagnolet war die weitreichende Ausgangssperre besonders hart. Zu fünft leben sie in einer kleinen Wohnung. Der Wegfall von Schule und Kantinenessen sorgte über Wochen für zusätzliche Kosten.

Nach fast drei Monaten Lockdown sieht die junge Grundschullehrerin ihre Klasse wieder. Wochen des Homeschoolings haben Spuren hinterlassen. Wie schafft sie es, die Kinder an den Schulalltag zu gewöhnen und mit dem verlorenen Stoff umzugehen? Und wie wird es nach den Sommerferien sein – nach sechs weiteren Wochen, in denen die Kinder ohne ihre Klassengemeinschaft sind? Irina Gontscharow weiß, wie sehr die Kinder auf Schule und guten Unterricht angewiesen sind. In der Klasse 2E der Geschwister-Scholl-Schule Wiesbaden sind auch viele Mädchen und Jungen mit Migrationshintergrund. Irina konnte ihre Schüler und Schülerinnen in der Corona-Zeit nur einmal kurz treffen und musste erleben, dass die Kinder sich ganz unterschiedlich entwickelt haben. Manche hatten ihr Deutsch fast verlernt, einige wirkten verängstigt, andere schienen gut mit der Situation und dem Homeschooling zurechtzukommen.

Es ist die größte Krise in der Geschichte des Flughafens. Die Reportage begleitet über drei Monate lang die Beschäftigten. Uli Neumann und Thomas Jahn zum Beispiel, beide Lufthansa-Piloten, die den Auftrag bekommen, eines der längsten Passagierflugzeuge der Welt, die A340–600, in die spanische Wüste zu bringen – um sie dort „einmotten“ zu lassen. Ein Abschied womöglich für immer, von einer Maschine, die eigentlich noch gut in Schuss ist, nun aber erst mal nicht mehr gebraucht wird.Auch einer der größten Airline-Caterer der Welt ist betroffen: LSG Sky Chefs. Der Geschäftsführer Volker Müller verwaltet den Stillstand auf 18.000 Quadratmeter Küchenfläche. Seine Mitarbeiter sind seit Wochen damit beschäftigt, 500.000 Geschirr- und Besteckteile wegzupacken. Und: Durch die Corona-Krise steht auch die Zukunft der wichtigsten deutschen Fluglinie auf dem Spiel: die der Lufthansa.

Die Menschen im Libanon rufen schon seit Monaten nach einer Revolution. Nach großen Protesten und Gewaltausbrüchen trat die Regierung Ende 2019 zurück, doch die wirtschaftliche Situation verschlechtert sich weiter. Die libanesische Währung ist im freien Fall, der Preis für Lebensmittel explodiert und darüber hinaus steigt auch noch die Zahl der Corona-Ansteckungen dramatisch an. Die Explosion am 4. August im Hafen von Beirut sehen die Libanesinnen und Libanesen als ein weiteres Symbolbild für das Versagen der Politik. Sie machen die politische Führung dafür verantwortlich, dass die Menschen nun buchstäblich vor den Trümmern ihrer Existenz stehen. Mehr als 170 Tote, rund 6000 Verletzte und ein Sachschaden von schätzungsweise 15 Milliarden Dollar sind die Bilanz eines Unglücks, das hätte verhindert werden können. Dokumente belegen, dass verschiedene Behörden über die unsachgemäße Lagerung des hochexplosiven Ammoniumnitrats Bescheid wussten.

In der rumänischen Region Oltenien sind die Folgen des Klimawandels deutlich zu sehen und zu spüren. Wo einst grüne Wiesen und Wälder das Ufer der Donau säumten, sieht man heute nur noch sandige Flächen. Mehr als 800 Quadratkilometer längs der Donau umfasst das Gebiet inzwischen. Der Wind bläst den Sand in die Dörfer und sogar bis in die über 200 Kilometer entfernte Hauptstadt Bukarest. Es ist die Folge einer Kombination aus Klimawandel und rücksichtsloser Agrarpolitik. Diktator Nicolae Ceauşescu wollte in den 70er und 80er Jahren die landwirtschaftliche Großproduktion vorantreiben, ließ dafür Wälder abholzen und Seen trockenlegen. Umweltschützer, Unternehmer und Lokalpolitiker versuchen nun, die fortschreitende Verwüstung im Süden ihres Landes zu stoppen. Der Bukarester Abgeordnete und Umweltaktivist Octavian Berceanu reist regelmäßig in die Region, um die Hauptquellen der Versandung zu finden.

Umweltaktivisten wie der 35-jährige Horea Petrehus vermuten das. Der Bildhauer und Förster stellt sich gegen die zerstörerischen Profitjäger der Holzindustrie. Um die natürlichen Waldressourcen besser überwachen zu können, gründete Petrehus einen Verband für die Forschung der Habitate. Die meiste Zeit verbringt Petrehus in der Natur. Dabei weicht ihm Pedro, ein Hirschkalb, nicht von der Seite. Er hat es als verwaistes Kitz gefunden und großgezogen. Der Mann mit dem roten Bart kennt den Wald wie seine Westentasche und erkannte früh die dramatische Situation. Lebensräume für Bären, Hirsche, Wölfe, Wildschweine, diverse Vogelarten und viele kleine Lebewesen drohen zu verschwinden. Auch Gabriel Paun von der Umweltorganisation Agent Green hat sich der Rettung des rumänischen Urwalds verschrieben. Und er weiß, wie gefährlich dieses Engagement ist. Sechs Waldschützer sind bereits ermordet worden. Petrehus und Paun scheuen trotzdem keine Gefahr.

Die griechische Insel Santorin – in den letzten zehn Jahren hat sie sich zu einem der weltweit größten Hotspots für Hochzeiten entwickelt. Millionen von Touristen und Tausende von Trauungen brachten Infrastruktur und Umwelt an die Belastungsgrenze.Doch nun hat die Zwangsruhe durch die Corona-Pandemie die Insel ins Mark getroffen. Die Besucherzahlen sind drastisch eingebrochen. Für viele Bewohner Santorins ist dies eine Chance um nach Alternativen zum Massentourismus zu suchen, so auch für die Winzerin Ionna. Andere hingegen, wie die Hochzeitsplanerin Anastasia und der Hochzeitsfotograf Wasim, hoffen auf eine schnelle Rückkehr zur Normalität. (Text: arte)

In Amsterdams Rotlichtviertel De Wallen drängen sich allabendlich Besucher aus aller Welt – zum Sightseeing oder auf der Suche nach dem Exzess. Lange Zeit führten hier Anwohner und Sexarbeiterinnen eine friedliche Koexistenz. Doch der Touristenansturm verändert das Viertel und sorgt für eine zunehmend angespannte Situation. Die Anwohner schlagen schon lange Alarm. Jetzt will der Stadtrat durchgreifen. Immer mehr rückt dabei die Prostitution in den Fokus. Im Rathaus wird diskutiert, inwieweit halbnackte Frauen hinter Schaufenstern einen „falschen“ Tourismus anziehen. Die Sexarbeiterinnen des Viertels fürchten jetzt um ihren Arbeitsplatz. Seit Jahrhunderten sind Prostituierte fester Bestandteil des Viertels. Droht ihnen bald das Aus? Lola arbeitet seit über 25 Jahren als Fensterprostituierte und setzt sich mit ihrer Gewerkschaft für den Erhalt der Rotlichtschaufenster ein. Die Frauen sehen nicht ein, warum die Sexarbeiterinnen, die seit jeher zum Viertel gehören, jetzt die Leidtragenden des Tourismusproblems sein sollen. Der 60-jährige Bert Nap wohnt seit 40 Jahren in De Wallen und hat sich lange Zeit nicht an den Sexarbeiterinnen gestört. Doch die Partytouristen machen das Leben im Viertel immer unerträglicher. Seit Jahren setzt er sich als Nachbarschaftsvertreter bei der Stadt für Gegenmaßnahmen ein. Bezirksbürgermeisterin Mascha ten Bruggencate versucht, mit verschiedenen Aktionen die angespannte Situation zu entschärfen. Zur Diskussion steht auch die Frage, ob die Fensterprostitution aus der Altstadt verbannt werden soll. (Text: arte)

Belarus: die letzte Diktatur Europas. Alexander Lukaschenko regiert seit 26 Jahren autoritär und repressiv das Land. Es existiert keine unabhängige Justiz, Oppositionelle leben gefährlich, kritische Journalisten ebenso. Doch trotz jahrzehntelanger Repressionen ist eine junge Generation Belarussen herangewachsen, die mehr Freiheit und Rechte will: Piotr ist 25 Jahre alt und versucht schon seit 10 Jahren, auf Missstände in seinem Heimatland aufmerksam zu machen und sie zu verbessern – für sein politisches Engagement saß er bereits mehrfach im Gefängnis. Vor den Parlamentswahlen 2019 gründete er eine politische Initiative mit, um die Belange der Jugend stärker in die Öffentlichkeit zu bringen. Ales hingegen hatte wie viele junge Belarussen eine Zeitlang seine Heimat verlassen, um anderswo ein freieres Leben führen zu können. Doch er ist wieder nach Belarus zurückgekehrt: Ales ist eine Art Pionier einer neuen Landbewegung, in der junge Familien wieder aufs Dorf ziehen. Weit weg vom Arm der Diktatur, können sie hier ihren Alltag weitgehend selbstbestimmt gestalten. Mit der internationalen Gemeinschaft sind sie digital dennoch aufs Beste vernetzt, viele arbeiten als Programmierer oder wie Ales und seine Frau als Journalisten und Grafikdesigner.Lukaschenkos autoritäre Herrschaft hat Risse bekommen: durch die neue Oppositionsbewegung, die aus der Mitte der Gesellschaft entsteht, haben Ales und Piotr wieder Hoffnung geschöpft, dass der Wandel in Belarus unaufhaltsam ist. (Text: arte)

Einst als Musterbeispiel des sozialen Wohnungsbaus gefeiert, gelten die „Vele di Scampia“, die „Wohnsegel von Scampia“ im Norden Neapels heute als die schlimmste Wohnsiedlung Italiens. Seit Jahrzehnten von der Camorra beherrscht, prägen Armut, Müll, Zerstörung und Kämpfe rivalisierender Mafia-Banden den Gebäudekomplex. Die wie faule Zähne in den Himmel ragenden Hochhäuser gelten in ganz Italien als Symbol für das Versagen des Staates. Heute leben mehrere Tausend Menschen in „Le Vele“. Genaue Zahlen gibt es nicht, denn viele Bewohner sind hier illegal untergekommen, zahlen weder Miete noch Strom. Seit 2016 planen die Behörden von Neapel, die schlimmsten Blocks abzureißen. Doch immer neue Probleme verhindern die Umsiedlung der rund 350 offiziell registrierten Familien, die dringend auf ein neues Zuhause warten.Der 39-jährige Omero Benfenati wohnt schon sein gesamtes Leben in einem der Wohnsegel. Er kennt jeden Bewohner persönlich und ist der Sprecher des „Vele Komitees“. Der junge Familienvater Rosario Caldore spielte als kleiner Junge mit Asbest-Stückchen, seine Kinder sollen es besser haben und nicht neben Dealern, Killern und Alkoholikern aufwachsen. Während sie für den Abriss und eine menschenwürdige Unterbringung kämpfen, fürchten andere, wie Eduardo, der seit Jahren illegal im Wohnkomplex lebt, das Dach über dem Kopf zu verlieren.Emanuele Cerullo, der seit kurzem in einem besseren Viertel wohnt, meint, dass sich Probleme und Kriminalität nur verlagern. Er fordert ein Ende der Perspektivlosigkeit für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Es ist ein historischer Moment. Wird die Gomorrha-Kulisse fallen? (Text: arte)

Wildziegen besetzen eine Stadt im britischen Wales, Delfine erobern italienische Häfen und jede Menge Wildschweine sind in Barcelona, Paris und Berlin auf dem Vormarsch. All dies geschah während des Corona-Lockdowns. Wildtiere eroberten die Großstädte! Diese Entwicklung ist nicht neu, denn die Städte bieten den Tieren Nahrung in Hülle und Fülle, dazu Schutz vor Feinden und Platz für ihre Bauten. Der Rückzug des Menschen während der Corona-Zeit hat diesem Trend aber nochmal neuen Schwung verliehen. Allein in Berlin soll es jetzt über 5.000 Wildschweine in der Stadt und mehr als 1.500 Fuchsreviere geben. Von den Scharen hungriger Waschbären ganz zu schweigen. Für die Reportage-Reihe „Re:“ hat ein Team von Wildtier-Experten, Tierschützern und Naturfotografen auf ihren Expeditionen ins „Tierreich Großstadt“ begleitet und war hautnah dabei, wenn Füchse abends auf Berliner Terrassen erschienen oder Waschbären westfälische Gärten plünderten. (Text: arte)

GULag – das Netz aus Zwangsarbeitslagern in der Sowjetunion, in dem schätzungsweise 20 Millionen Menschen inhaftiert waren und Millionen Menschen starben. Trotz dieser unheimlichen Größenordnung wurde die Geschichte des Terrors gegen die eigene Bevölkerung in Russland nie richtig aufgearbeitet. Das Thema wird bis heute vielerorts tabuisiert und steht nicht auf dem Lehrplan in Russlands Schulen.Robert Latypow will das ändern. Er ist Leiter der NGO „Memorial“ im russischen Perm. Seine Hauptaufgaben: Eine Erinnerungskultur schaffen und die Geschichte der Vertriebenen, Inhaftierten und Ermordeten des Sowjetsystems erzählen. Dabei trifft Robert immer wieder auf Gegenwind. Denn in Putins Russland ist für systemkritische Geschichtsschreibung wenig Platz. Vielmehr soll an den heldenhaften Sieg im Zweiten Weltkrieg erinnert werden. Wenn Robert mit Mitarbeitern und Freiwilligen Gedenkstätten errichtet oder historische Dokumente sammelt, stellen sich ihm deshalb immer wieder Polizei und Geheimdienst in den Weg.Das Netz der Arbeitslager spannte sich über das komplette Riesenreich und ist insbesondere im Hohen Norden weit ausgedehnt. Zwangsarbeiter mussten hier zwischen den 30er und 50er Jahren des 20. Jahrhunderts Rohstoffe abbauen und Infrastrukturprojekte vorantreiben. Dies fand größtenteils unter unmenschlichen Bedingungen statt. Auch heute noch arbeiten die Menschen in den Minen von damals und erledigen die Knochenarbeit. Allerdings ist nur den wenigsten Arbeitern bewusst, dass sie ihre Arbeit an Orten verrichten, wo früher ein Terror gegen die eigene Bevölkerung ausgeübt wurde. (Text: arte)

Fritz Teuscher mistet seine Ziegen. Trotz seiner Arthrose-Diagnose muss die Arbeit auf dem Hof weitergehen. „Man drückt den Schmerz ein bisschen weg, das ist eben so“, erklärt der Schweizer Bauer. Jedes Jahr verbringt seine Familie den Sommer mit ihren Tieren auf der Stierenmoos-Hütte im Berner Oberland. Zwei Familien leben von der Arbeit in dem Betrieb. Dabei sind sie auf Hilfe angewiesen. Auch dieses Jahr werden sie über mehrere Wochen von einer Freiwilligen unterstützt: Die 30-jährige Nadja Isenschmid hat bislang noch keine Kuh gemolken. Jetzt wird sie bei Familie Teuscher arbeiten und leben. Die Bewirtschaftung der Bergregionen sind Schweizer Kulturgut und fest im allgemeinen Bewusstsein verankert. Die Bergbauern sind auf die Hilfsbereitschaft und Solidarität der Bevölkerung angewiesen: Rund 1.000 Freiwillige leisten jährlich diesen Familien Hilfe. In ihrer Zeit auf dem Hof erlebt Nadja die Herausforderungen, vor denen vor allem die kleine Landwirtschaft steht. Denn trotz massiver Subventionierung durch den Schweizer Staat stellt sich die Frage: Lohnt sich diese Arbeit heute noch? (Text: arte)

Hasan Hasanović überlebte als 19-Jähriger nur knapp den Genozid in Srebrenica und den Todesmarsch der muslimischen Bosniaken durch die Wälder nach Tuzla. Sein Zwillingsbruder, sein Vater und sein Onkel wurden damals auf der Flucht vor serbischen Häschern ermordet. Mehr als 8.000 Menschen zwischen 13 und 78 Jahren, vorrangig Männer, haben die Soldaten der Republika Srpska 1995 umgebracht. Bis heute verfolgen Hassan die Gesichter der Toten und Schreie der Verletzten. Aber er hat gelernt, mit seinem Trauma zu leben. Für das Srebrenica Genozide Memorial sammelt er Dokumente und interviewt Überlebende des Massakers, damit die Wahrheit nicht in Vergessenheit gerät. Mit aller Macht kämpft er gegen die Leugner des Massenmords, die zahlreicher werden und die Gräueltaten in aller Öffentlichkeit abstreiten. Immer wieder bezweifeln serbisch nationalistische Politiker den Genozid im serbischen Teil Bosniens. Hasan Hasanović ist überzeugt, nur wenn die Wahrheit anerkannt wird, kann es Versöhnung geben. Und er glaubt, „bis heute ist der Konflikt zwischen den muslimischen Bosniaken und den bosnischen Serben nur eingefroren und nicht gelöst.“ Tatsächlich wurden viele Kriegsverbrecher nie verurteilt und bestraft. Auch die Leugner kommen straffrei davon. Damit nie vergessen wird, was damals in den Wäldern geschah, haben Hasan Hasanović und seine Kollegen hunderte Lebensgeschichten aufgezeichnet und für das Archiv des Memorials gesammelt. „Meine Arbeit ist erst zu Ende“, berichtet er, „wenn auch der letzte Überlebende seine Geschichte erzählt hat“. (Text: arte)

Tanja Jacobi hat sich ihren Traum von eigenen Gemüsegarten am Stadtrand von Berlin erfüllt. Dort erntet die Psychologin nun ihre ersten Zucchini, Zwiebeln und Paprika: „Es ist ein tolles Gefühl, dass man bestimmte Produkte nicht mehr kaufen muss.“ Die Parzelle hat sie von einem Gemüsebauern gepachtet, dem es um neue Formen solidarischer Landwirtschaft geht. Das Ziel: Verbraucher zu Erzeugern zu machen. Für Tanja bedeutet das eigene Gemüse ein Stück Freiheit und vor allem Unabhängigkeit: „Gerade in solchen Zeiten ist es super, so ein Gemüsebeet zu haben. Das kann einem niemand nehmen.Auch in Berliner Spitzenrestaurants schmeckt man den Wandel. Junge Köche wie Vadim Otto Ursus lieben es radikal regional. In Brandenburg experimentiert Ursus in einer Datsche mit den wilden Zutaten, die er vor Ort findet. Die Corona-Krise bestätigt den Koch in seiner Philosophie. Er ist entschlossen, den puren Geschmack der Region auf die kulinarische Agenda zu heben.Wie man Weltläufigkeit und Regionalität erfolgreich verbinden kann, beweist Dalad Kambhu. Die Thailänderin hat eine Model-Karriere in New York hinter sich und wurde für ihr Restaurant Kin Dee als erste Köchin Berlins mit einen Michelin-Stern ausgezeichnet. Die thailändische Küche kombiniert sie selbstbewusst mit Zutaten aus Brandenburg Statt Papaya gibt es bei ihr schon mal Kohlrabi. Das Argument, eine Küche sei nur dann authentisch, wenn auch die Zutaten von dort eingeflogen wurden, findet sie – gerade in Zeiten von Corona – einfach nicht mehr zeitgemäß. (Text: arte)

Das Lager Moria auf Lesbos war berühmt und berüchtigt für seine katastrophalen Zustände. In dem Camp, das ursprünglich für 3.000 Menschen angelegt wurde, lebten zuletzt etwa 13.000 Menschen unter unwürdigen Bedingungen: mangelndes Trinkwasser, Stromausfälle, unhaltbare hygienische Zustände. In den letzten Monaten sahen sich die in dem hoffnungslos überfüllten Lager ausharrenden Menschen auch noch mit der Angst vor einer ungehemmten Ausbreitung von COVID-19 konfrontiert. Seit dem achten September 2020 ist Moria Geschichte. Das Lager brannte komplett ab. Über Nacht landeten die ehemaligen Bewohner und Bewohnerinnen des Lagers auf der Straße. Die griechische Regierung errichtete in Windeseile ein neues Camp. Doch viele Menschen weigern sich, dorthin zu gehen. Sie befürchten, dass dort gleiche oder gar schlimmere Zustände herrschen werden wie in dem alten Lager. Die Flüchtlinge auf Lesbos wollen nur eins: Die Insel endlich verlassen. Währenddessen ringt die EU weiter um eine gemeinsame Asylpolitik. (Text: arte)

Der Lebensraum des Steinadlers wird vom Menschen zunehmend bedroht. In den Allgäuer Alpen galt der Vogel schon fast als ausgestorben – doch dann kamen Vogelschützer wie Henning Werth, die den Turnaround für den König der Lüfte schafften. Früher wurde der Steinadler erbarmungslos vom Menschen gejagt. Heute lauern neue Gefahren: Mit modernen Outdoor-Aktivitäten dringt der Mensch immer weiter in seinen natürlichen Lebensraum ein. Egal ob Bergsteiger oder Wanderer, Gleitschirmflieger oder die Bergbahnen – sie alle sind eine große Bedrohung für den Steinadler. Lange Zeit war Henning Werth ein Einzelkämpfer, doch jetzt bekommt er Verstärkung: Eine neu geschaffene Task Force der Bezirksregierung von Schwaben bildet Ranger aus und versucht, über persönlichen Kontakt die unterschiedlichen Interessen von Tourismus, Landwirtschaft und Naturschutz zu koordinieren. Eine Maßnahme, durch die bereits erste Erfolge zu erkennen sind. (Text: arte)

Deutschland ohne die „Amis“ – für viele undenkbar. Doch Präsident Trump will gut 12.000 US-Soldaten abziehen. Gegen den Rat seiner Militärs und zum großen Bedauern der Bevölkerung vor Ort. Es geht um zehntausende Arbeitsplätze und gelebte deutsch-amerikanische Freundschaft, die den Alltag prägt. Der Countdown läuft: Wie wird die US-Wahl die Situation beeinflussen? Über ein Drittel der in Deutschland stationierten US-Soldaten sollen verlegt werden – dies hat Donald Trump noch vor der Präsidentenwahl angeordnet. Grafenwöhr ist der größte Truppenübungsplatz in Europa, zudem einer der modernsten weltweit. Hier üben US-Soldaten und ihre NATO-Partner für ihre Einsätze in Afghanistan oder im Irak. Weiter westlich in Ansbach ist die größte Kampflieger-Brigade Europas stationiert, mit weit über 100 Helikoptern. Die anfänglichen Besatzer sind längst zu Beschützern und Freunden geworden. Alles in der Region ist auf die Amerikaner ausgerichtet: US-Autohäuser, US-Schulen, US-Musikvereine. „Die Amis haben uns das Tor zur Welt geöffnet“, so sehen es die meisten bayerischen Bürger hier. Doch mit Trump als Präsidenten und den seither eher schwierigen Beziehungen zwischen den Staaten macht sich Unsicherheit breit. Jim Albright ist vor Jahren in Bayern als GI gelandet. Inzwischen hat er hier seine Frau gefunden und die Seiten gewechselt. Nun arbeitet er als Pressefotograph für die Fränkische Landeszeitung. Die Dokumentation begleitet ihn bei Schießübungen der Kampfhubschrauber und bei Begegnungen von US-Soldaten mit Einheimischen in den Gemeinden. Sind viele Bürger nicht froh, dass Kanonendonner und Fliegerlärm verschwinden? Und: Was verbindet Amerikaner und Deutsche – über Bier und Grillen hinaus? Hat sich seit Trump an der Regierung ist etwas an dem Verhältnis verändert? Ein sehr spezieller Blick aus dem bayerisch-amerikanischen Hinterland auf diese entscheidende US-Wahl. (Text: BR Fernsehen)

„Wenn ich jungen Menschen, die eine Hilfsorganisation gründen wollen, zwei Tipps geben darf: Das Wichtigste ist Transparenz! Und der zweite Ratschlag: Haltet euch fern von der Politik!“ Das sagt Arbër Hajdari, Gründer der albanischen Hilfsorganisation Fundjavë Ndryshe. Vor fünf Jahren hat der damalige Jurastudent beschlossen, sich an jedem Wochenende um Arme in seiner Heimat Albanien zu kümmern. „Es ist verrückt“, sagt Arbër, „wir haben diese Armut unser ganzes Leben gesehen. Aber irgendwie haben wir es geschafft, sie auszublenden. Das wollte ich nicht mehr.“ 12.000 Freiwillige arbeiten für Fundjavë Ndryshe – längst helfen sie an jedem Wochentag. Die albanische Regierung hat den jungen Leuten eine ehemalige Panzerkaserne als Hauptquartier überlassen. Das Herz ist die Telefonzentrale. Hier melden sich Menschen in höchster Not. Die Witwe Idvana und ihre Töchter etwa sind nach dem Tod ihres Mannes von ihren Schwägern aus dem gemeinsamen Haus verjagt worden. Jetzt leben sie in einem Kuhstall voller Ratten und Schlangen, die vierjährige Ameli kann vor Angst nicht mehr schlafen. Arbër hat diesen Fall zur höchsten Priorität erklärt. Für Idvana und ihre Kinder gibt es immerhin ein Happy End: Sie bekommen eine Mietwohnung und Idvana einen neuen Job als Altenpflegerin. Arbër hat Tausenden albanischen Familien aus der Armut geholfen. Aber es bleibt noch sehr viel Arbeit: Rund 40 Prozent aller Albaner leben von weniger als fünf Euro pro Tag. (Text: arte)

Der Oberfranke Thorsten Sprenger gehört zu einer ganz besonderen Truppe freiwilliger Feuerwehrleute. Die Mitglieder von @fire sind international im Einsatz und werden zu Hilfe gerufen, wenn es Spezialwissen braucht, um z.B. bei großen Vegetationsbränden schwer erreichbare Glutnester aufzuspüren. Statt Hubschrauber, die aus der Luft löschen, sind dafür mobile Einsatzkräfte am Boden gefragt, die zu Fuß und mit leichtem Gerät ausrücken. Neue Techniken, wie sie die Helfer von @fire Katastrophenschutz Deutschland beherrschen, weil sie sie gezielt bei ihren Einsätzen im Ausland beobachten können und üben. Eine weitere Erkenntnis, die sich in der Brandbekämpfung immer mehr durchsetzt: Es braucht noch viel mehr Vernetzung und Austausch – nicht nur international, auch Feuerwehren und Förster müssen enger zusammenarbeiten. Die Erlanger Brandamtsrätin Birgit Süssner ist studierte Försterin und Feuerwehrfrau. Als Trainerin der Feuerwehrleute ist die gebürtige Oberfälzerin daher besonders gefragt. Die Reportage begleitet Thorsten Sprenger und Birgit Süssner bei ihren Übungen und im Einsatz. (Text: arte)

Nicht alle letzten Wünsche sind so spektakulär; oft ist es nur das Lieblingsnusseis vom Italiener im Nachbarort, das die Menschen noch einmal kosten wollen, manchmal ein Besuch im Zoo, oft eine Hafenrundfahrt. Mittlerweile hat die NGO Stichting Ambulance Wens der Gründer Kees und Ineke Veldboer 270 freiwillige Helfer: Die Fahrer sind zumeist Polizistinnen und Polizisten, die medizinische Betreuung leisten Intensiv- und Krankenpflegerinnen und -pfleger. Sieben Krankenwagen mit Sonderausstattung hat ihre Stiftung und damit bislang mehr als 14.000 Wünsche erfüllt. Dankbare, oft geradezu fröhliche Gesichter der sterbenskranken Menschen sind das schönste Gegengeschenk für die Freiwilligen. „Egal, was es ist“, sagt Gründer Kees Veldboer, „wir wollen, dass die Patienten und Patientinnen noch einmal glücklich sind, bevor sie gehen.“ (Text: arte)

Einmal pro Woche verlässt das Containerschiff Dornbusch den Hamburger Hafen Richtung Kaliningrad. Die zehnköpfige Crew besteht zum Großteil aus Filipinos. Bootsmann Eddi Sedilla ist einer von ihnen. Statt neun ist er wegen lang überfälliger Crew-Wechsel bereits 14 Monate an Bord. Er steckt fest, die Situation ist belastend. „Sich umbringen, wäre keine Wahl. Betet zu Gott. Amen“ sagt er. In seinem Spind an Bord hat er 20 Kilogramm Schokolade für seine Töchter und seine Frau auf den Philippinen gepackt. In wenigen Tagen soll es nun endlich soweit sein.Rund 300.000 Seeleute aus den Philippinen, Indien oder China sind aufgrund der Corona-Pandemie an Bord eines Schiffes „gefangen“. UN-Generalsekretär António Guterres warnt vor einer humanitären Krise. Oft sind die Seeleute die einzigen, die ihre Angehörigen mit Geld versorgen. Mechiel Quasito ist bereits seit 13 Monaten an Bord der Dornbusch. Fast täglich führt sie Videogespräche mit ihren Töchtern in der philippinischen Provinz Bicol. Mechiels Mann ist verstorben, eine Schwester passt auf die fünf Kinder auf. Und die fragen ständig, wann sie endlich wiederkommt. Als Köchin ist Mechiel besonders gefragt auf dem Schiff. Während andere sich sonntags ausruhen können, hat die 42-Jährige jeden Tag Schicht. Einen Landgang oder Besuche im Seemannsclub sind für sie quasi unmöglich. Nur rund drei Stunden liegt das Schiff am Terminal, dann geht es schon weiter. Zumindest ihr Kollege Eddi hat schließlich Glück und kann tatsächlich die Heimreise antreten. 21 Tage Quarantäne auf den Philippinen muss er trotzdem über sich ergehen lassen. (Text: arte)

Lula Jabr musste in Eritrea Militärdienst leisten. In Holland hat die 31-Jährige einen Traum: Sie will studieren und später bei den Vereinten Nationen arbeiten. Malaak Swed aus Syrien ist Anthropologin. Sie hofft, dass ihre akademischen Zertifikate in Holland etwas wert sind. „Ich fühle mich wie ein Baby, das alles neu lernen muss“, sagt sie. Beide Frauen sind entschlossen, Arbeit zu finden und ihr Leben neu aufzubauen. Beide haben im Sommer einen sechswöchigen Workshop bei „She matters“ angefangen – verbunden mit vielen Hoffnungen und Fragen. Wie präsentiere ich mich auf dem Arbeitsmarkt? Finde ich etwas in meinem Feld? „She matters“-Gründerin Christina Moreno weiß, dass das nicht einfach ist. Moreno nennt dann plakative Zahlen: Von den Flüchtlingen, die 2014 einen Aufenthaltsstatus bekamen, hatten drei Jahre später nur etwa elf Prozent einen Job gefunden. Zwar wächst die Zahl mit der Zeit, aber es werde zu lange Potenzial vergeudet, findet sie. Moreno will vor allem Frauen fördern, die seltener als geflüchtete Männer arbeiten. Studien zeigen, dass sie häufig Nachreisende sind, weniger im Fokus stehen, oft schlechter holländisch sprechen. Dazu zeigten Medien sie oft in Flüchtlingscamps, erschöpft und orientierungslos. Christina Moreno will, dass die Aufnahmegesellschaft die Frauen mit anderen Augen sieht: Oft werde vergessen, dass viele in ihrer Heimat Berufe hatten, die ihnen Sinn und Halt gaben. „Re:“ begleitet Lula Jabr und Malaak Swed für mehrere Wochen durch den Workshop, durch Höhen und Tiefen, Zweifel und Hoffnung. Werden sie ihrem Traum näherkommen? (Text: arte)

Juliusz ist müde. Seit Stunden regnet es in Strömen. Alles ist klamm und kalt geworden in seiner Hütte. Gar nicht gut für die alten Knochen des 92-Jährigen. Doch um in der Wildnis überleben zu können, muss er sich bewegen, so sehr es auch weh tut. Damit er zumindest in der Nacht nicht frieren muss, heizt er mit seinem Campingkocher ein paar Steine auf, die sein Bett wärmen sollen. Seine Hütte hat weder einen Ofen noch fließend Wasser. Doch Juliusz denkt nicht daran, sein Aussteigerleben aufzugeben. Er fühlt sich hier wohl. Der Wald am Ufer des Solina-Sees ist sein Königreich und er ist der König der Vagabunden. Sein Nachbar Krzysztof (77) besucht ihn gerne. Er hat sich noch im sozialistischen Polen für ein Leben in der Natur entschieden. Zwei kritische Geister, ein Rückzugsort, die beiden verbindet eine tiefe Freundschaft. Dass Krysztofs Hüfte und sein Rücken permanent schmerzen, versucht er zu ignorieren. „Wer hier leben will, muss arbeiten können“, davon ist er überzeugt. Und er möchte so lange hier bleiben wie irgend möglich. Ein Leben im Altenheim, das kommt für ihn nicht infrage. (Text: arte)

Unnötiger Lärm oder unverzichtbares Lebensgefühl? Immer öfter verzweifeln die Anwohner idyllischer Landstraßen, weil Motorräder ihnen den letzten Nerv rauben. Auch die schiere Zahl der Fahrer macht Probleme: Im schönen Lautertal, im Herzen der Schwäbischen Alb, können es an einem Wochenende bis zu 3000 Maschinen am Tag werden. Holger Siegel, lebt mit seiner Familie am Rande einer stark befahrenen Strecke im Schwäbischen Wald. Er hat den Kampf gegen den Krach aufgenommen. Über die Webseite „Motorradlärm.de“ vernetzt der Vorsitzende des „Arbeitskreises gegen Motorradlärm“ gestresste Anwohner, um Druck auf die Politik ausüben zu können. Die nimmt sich des Themas an: erste Fahrverbote nur für Motorräder sind in Kraft. Im österreichischen Bezirk Reutte greift man zu härteren Mitteln: Motorräder, deren Standgeräusch mehr als 95 Dezibel beträgt, dürfen einige der schönsten Strecken Tirols nicht mehr befahren. Wer trotzdem fährt, zahlt 220 Euro. Auch die Motorradfahrer machen mobil. Björn Bechtel lebt inmitten des Kurvenparadieses der Schwäbischen Alb. Er liebt seine 170 PS starke Honda-Fireblade und ist Chef der regionalen „Knieschleifer aus Überzeugung“ – einer bundesweiten Gruppe von Freunden schneller und starker Maschinen. Björn Bechtel und seine Mitstreiter pochen auf ihr Recht, mit ihren legalen, oft teuer bezahlten Maschinen immer und überall fahren zu dürfen. Holger Siegel als Sprachrohr gestresster Anwohner fordert dagegen das Recht, sich zuhause erholen zu können, ohne dabei von Motorradlärm belastet zu werden. Gute Argumente haben beide Seiten. Welche wiegen schwerer? (Text: arte)

Das Argument der Samen-Gemeinde Girjas, das letztlich auch den Obersten Gerichtshof überzeugte: Seit Tausenden von Jahren hätten sie hier gejagt, gefischt und das Land als Weideland für ihre Rentiere genutzt. Bis der schwedische Staat kam und ihnen – aus ihrer Sicht – immer mehr Land und damit ihre Lebensgrundlage nahm. Zwischen 20.000 und 40.000 Menschen gehören der Gruppe der Samen in Schweden an. Rund 4.700 von ihnen sind Rentierbesitzer, wie die Familie von Ylva Sarri. Sie begrüßt das Urteil, denn die schwedischen Jäger würden mit ihren Hunden die Rentiere ängstigen und die Arbeit der Samen behindern. Regelmäßig fangen die Halter ihre Tiere ein, um sie zu schlachten und Fleisch und Fell zu verkaufen. Joachim Almgren ist einer von über 300.000 schwedischen Jägern im Land, der nun bangt, mit seinen Hunden in Zukunft nur noch eingeschränkt jagen zu können. Jagd und Fischfang sind bei den Schweden beliebte Freizeitaktivitäten, auf die sie ungern verzichten würden. Was, wenn andere Samen-Gemeinden dem Vorbild von Girjas Sameby folgen und vor Gericht ziehen, um die alleinige Vergabe der Jagdrechte zu erstreiten? Welches ist das höhere Gut: das Wohl der Rentiere oder das Jagdrecht der Schweden? (Text: arte)

Wenn Tierärztin Jeannette Klemmt mit ihrem ausrangierten Rettungswagen zum Einsatz an Berliner Brennpunkten fährt, weiß sie nicht, was sie erwartet. Nur eins ist klar: Ihre Kunden leben in großer Not und können sich die Behandlung einer Tierärztin normalerweise nicht leisten. So wie die 18-jährige Hundebesitzerin Toni. Mit einer Gruppe obdachloser Jugendlicher lungert sie tagsüber am Berliner Alexanderplatz rum. Die junge Frau ist schon Mutter, aber solange sie keinen festen Wohnsitz hat, muss ihr Baby bei einer Pflegefamilie leben. „Ich vermisse meinen Sohn sehr, deswegen habe ich jetzt einen Hund, damit ich wenigstens den bemuttern kann.“ Die Tierärztin macht eine kleine Check-up-Untersuchung und unterhält sich nebenbei mit Toni über ihre momentane Lebenssituation. Wofür Sozialarbeiter und Streetworker meist Wochen brauchen, gelingt der Veterinärin manchmal schon nach ein paar Minuten. Jeannette Klemmt bekommt den Zugang über die Tiere und versucht dann einen Kontakt zu Sozialarbeitern herzustellen. Die 29-jährige Jenny, die ihre kranke französischen Bulldogge zum mobilen Einsatzfahrzeug der Tierärztin bringt, kann das aus eigener Erfahrung bestätigen: ‚Ich glaube nicht, dass ich es ohne meinen Hund geschafft hätte. Es gab Zeiten, da hätte ich ohne ihn nicht weiterleben wollen.“ Jenny konnte von den Drogen loskommen. Inzwischen hat sie eine eigene Wohnung und einen Job. ‚Ohne Hilfe wäre ich da nie rausgekommen‘. Tierärztin Jeanette Klemmt arbeitet seit 20 Jahren auf der Straße, doch ihr Einsatz ist notwendiger denn je: Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst rasant, und immer mehr Menschen sind vom Verlust ihrer Wohnung bedroht. (Text: arte)

Christian Kroll hat 2009 die Suchmaschine Ecosia gegründet, die Bäume gegen den Klimawandel pflanzt. Bis heute konnte über Werbeeinnahmen die Pflanzung von mehr als hundert Millionen Bäumen finanziert werden. Kroll hätte sein Unternehmen längst für viele Millionen Euro verkaufen können, doch dem Gründer waren Bäume immer wichtiger als der eigene Geldbeutel, und er wollte seine Firma vor Spekulanten schützen. Deshalb hat er Ecosia 2018 über ein Stiftungsmodell in ein sich selbst gehörendes Unternehmen überführt, sich quasi selbst enteignet. Damit wurde es unmöglich, Ecosia gewinnbringend zu verkaufen, Firmenkapital zu entnehmen oder den Firmenzweck – Bäume pflanzen – zu ändern. Der Unternehmer Armin Steuernagel berät Unternehmern, die ihre Firmen gleichfalls „verschenken“ möchten. Und er hilft mit seiner Purpose-Stiftung Start-ups, die sich bereits als Purpose-Unternehmen gründen wollten, etwa Wildplastic aus Hamburg, das Mülltüten aus recyceltem Plastik herstellt. Steuernagel fordert ein Update für den Kapitalismus. Konkret: Steuernagel setzt sich als politischer Lobbyist dafür ein, rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine Transformation zu Purpose-Unternehmen erleichtern sollen. Michael Hetzer war Familienunternehmer bei Elobau. Der Industriebetrieb in Leutkirch stellt Sensoren und Bedienelemente für den Landmaschinenbau her. Doch anstatt seine Firma irgendwann einem seiner Söhne zu vererben, hat er es in ein Stiftungsmodell überführt. Er wollte damit die Last von den Schultern der Söhne nehmen. Und ihm ist der Purpose – der Sinn seines Tuns – wichtig. (Text: arte)

Drogenhandel, Schutzgelderpressung, Prostitution und Anstiftung zum Mord – die Liste der Straftaten ist lang, über die Dragoş Boţa berichtet. Seit mehr als zwanzig Jahren schreibt der mutige rumänische Journalist über die Machenschaften der Mafia in seiner Heimatstadt Timișoara. Er hat aufgedeckt, dass die Verbindungen der Bande um Lucian Boncu bis in Politiker- und Beamtenkreise reichen. (Text: arte)

Weltweit leben mehr als 1,3 Millionen Juden in ultraorthodoxen Gemeinschaften. Eine Art Parallelwelt, in der allein die Regeln Gottes zählen. Jeder Aspekt des Alltags ist klar geregelt: Die Frauen kümmern sich um Haushalt und Kindererziehung, die Männer widmen ihr Leben dem Studium der Religion. Schätzungen zufolge verlassen allein in Israel zehn Prozent der Juden ihre streng religiöse Gemeinschaft, Tendenz steigend. Vor allem junge Erwachsene fliehen, überraschenderweise nach Deutschland. Akiva Weingarten wächst in einem New Yorker Vorort auf, bei den Satmarern, einer ultraorthodoxen jüdischen Sekte. 2014 macht er einen radikalen Schnitt. Er verlässt seine Frau und seine drei Kinder und beginnt in Berlin ein neues Leben. Ohne Familie, ohne Kreditkarte und Konto – und ohne je einen Beruf erlernt zu haben. Mittlerweile ist um ihn herum eine freie Gemeinschaft aus ehemaligen Ultraorthodoxen entstanden, denen der Rabbiner mit lebenspraktischen und auch theologischen Fragen hilft. Aussteiger Moshe Barnett und David Lamberger leben erst seit ein paar Monaten zusammen in einer WG in Dresden. Sie suchen nicht nur ein neues Leben, sondern auch ein neues Verhältnis zu Gott. (Text: arte)

Covid-19 ist eine Multiorganerkrankung, die durch den SARS-CoV-2-Virus ausgelöst wird. Die Symptome der Erkrankung sind mittlerweile bekannt. Aber was ist mit den Spätfolgen, die vermehrt auftreten? In Deutschland gibt es mehr als 200.000 offiziell genesene Covid-19 PatientInnen, doch nicht alle sind wirklich gesund. Sie klagen häufig über verminderte körperliche als auch geistige Leistungsfähigkeit. Eine von ihnen ist die 31-jährige Assistenzärztin Maria. Seit ihrer Ansteckung vor sechs Monaten, kann sie nicht wieder regulär arbeiten. Um die Folgeerkrankungen besser zu verstehen, startet im Oktober die bisher größte Studie zu Corona-Langzeitfolgen am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Ärzte-Teams aus verschiedenen Fachbereichen planen, einige Tausend offiziell genesene Covid-19 PatientInnen zu untersuchen. Im Fokus stehen Lunge, Herz, Nieren, Leber sowie Stoffwechsel und Nervensystem. Der Berliner Christopher Bley würde gerne Teil einer solchen Studie sein, denn der 35-Jährige fühlt sich von den Ärzten allein gelassen. Der Familienvater kämpft seit seiner Erkrankung mit Kurzatmigkeit. Lange hatte er gehofft, dass die Symptome von allein verschwinden. Von Ärzten ignoriert und belächelt, fühlt sich auch die Frankfurter Autorin Nina Marewski. Mit ihren Online-Texten über ihre Krankheitsgeschichte gibt sie Post-Covid-PatientInnen eine Stimme. ARTE „Re:“ begleitet drei Menschen, die mit Spätfolgen der Viruserkrankung zu kämpfen haben. Was bedeutet die gesundheitliche Einschränkung für sie und wie kommen sie mit der Ungewissheit zurecht, ob sie jemals wieder ganz gesund werden? (Text: arte)

Das Dorf Goreni liegt im rumänischen Transsilvanien. Hier gibt es außer Landwirtschaft kaum Jobs. Die meisten gehen daher zum Arbeiten nach Westeuropa. So wie Elisabeta, die in Deutschland Erdbeeren pflückt. Ihr Mann Zlotan ist Schweißer in Frankreich. Sohn Paul war bis März Schichtarbeiter bei Tönnies und will jetzt wieder zurück – obwohl sich seine Tante und sein Onkel genau bei diesem Fleischkonzern mit Covid-19 infiziert haben und im Moment in Deutschland in Quarantäne sind. Elisabeta bereitet das große Sorgen. Gerade erst wurde die 54-Jährige in Deutschland um einen großen Teil ihres Lohnes betrogen. Dennoch, irgendwie muss die Familie Geld verdienen, sonst kommen sie nicht durch. Seit dem EU-Beitritt Rumäniens sind die Preise explodiert und gerade Lebensmittel oft sogar noch teurer als in Deutschland. Doch ein Viertel aller Rumänen sind als Kleinbauern tätig. Gerade sie kommen nicht über die Runden. Vier Millionen Rumänen arbeiten daher im Ausland – das ist jeder fünfte – darunter viele junge Erwachsene, wie Elisabetas 20-jähriger Sohn Paul. Die Folge der Arbeiterkarawane nach Westeuropa erlebt man in Cluj, Nordrumänien: Vasile, der Betreiber einer Hamburger-Restaurantkette, sucht händeringend Arbeitskräfte. Doch kein Rumäne will für das Geld, das er zahlen kann, arbeiten. Und so hat er 13 Männer aus Sri Lanka angeworben. Auch in der Fleischfabrik in Cluj arbeiten Asiaten, die dort für wenig Lohn Därme reinigen und Fleisch zerlegen. Über 30.000 Visa hat Rumänien – trotz der Coronakrise – allein im Jahr 2020 für Arbeiter aus asiatischen Ländern ausgestellt. (Text: arte)

Seit 2013 frisst sich ein Bakterium durch die Olivenhaine des süditalienischen Salento. Hunderttausende Olivenbäume sind befallen und abgestorben. Ganze Landstriche sind zerstört. Die EU hat eine Pufferzone eingerichtet, damit sich das Bakterium nicht weiter in den Norden Italiens verbreitet. In dieser Pufferzone werden alle infizierten und auch die gesunden Bäume im Umkreis von 100 Metern gefällt.Olivenbauer Ippazio Gianuzzi hat 90 Prozent seiner Olivenbäume verloren. Statt 500 Zentner erntet er jetzt nur noch knapp 60. Eine Katastrophe für die Familie: „Wir kämpfen ums Überleben und halten uns mit Erspartem über Wasser“. Seine Hoffnung setzt er auf Neuzüchtungen von Olivenbäumen, die gegen das Bakterium resistent sind. Neben der Strategie der Rodungen und Neupflanzungen für die Bedürfnisse einer industrialisierten Landwirtschaft gibt es auch alternative Methoden. Marco Scorticchini, ein Bakteriologe aus Rom, behandelt die infizierten Bäume mit einer Flüssigkeit aus Zink, Kupfer und Zitronensäure – mit Erfolg. Die Symptome der Krankheit können durch die Anwendung zurückgehen und der Olivenbaum mit dem Bakterium leben, ohne ganz abzusterben. Doch die Methode ist teuer und umstritten.Xylella ist auf dem Vormarsch und an der Frage der geeigneten Gegenmaßnahmen scheiden sich die Geister. Ist es die Pflanzung neuer, angeblich resistenter Sorten oder sind es nachhaltige, noch wenig erprobte Heilungsmethoden? So oder so ist es ein Wettlauf gegen die Zeit – eine der schönsten Kulturlandschaften Europas droht zu verschwinden. (Text: arte)

Gewohnheiten zu durchbrechen, ist nicht einfach. Das wissen auch die Benediktiner-Mönche aus Plankstetten, dem „grünen Kloster“ in der Oberpfalz. Frater Richard ist der Öko-Landwirt des klostereigenen Gutes. Er und sein Bruder, Frater Andreas, sind beide im Dorf unterhalb des Klosters aufgewachsen. Beide Mönche sind beseelt von der Idee eines schöpfungsnahen, nachhaltigen Umgangs mit Ressourcen. Ihr bislang größter Coup: der seit gut einem Jahr entstehende Neubau just hinter dem denkmalgeschützten Klostergemäuer. Das größte Stroh-Holz-Haus Süddeutschlands entsteht hier, unterstützt von dem Interreg-Projekt UP STRAW der Europäischen Union. Die Baubranche sucht nach neuen Antworten auf die Klimakrise. Sie trägt einen entscheidenden Anteil am Ressourcen- und Energieverbrauch bei. Das Naturmaterial bindet schon beim Wachsen Kohlenstoff. Nach der Ernte kann es mit minimaler Energie zum Baustoff umgewandelt werden. Und kann – ohne chemische Brandschutzmittel – hohe Brandschutzanforderungen erfüllen. Das alles wissen die Strohpioniere vom Kloster Plankstetten. Doch eine Herausforderung jagt die nächste, denn der dreistöckige Bau ist komplex und vieles ist neu. Wird das Wetter halten? Wie kommen die gigantischen vorgefertigten Stroh-Holzwände zur Baustelle? Stroh: ein bestechend einfacher, sinnlicher Baustoff! Doch hat er das Zeug, ein Bau- und Dämmstoff der Zukunft zu werden? (Text: arte)

„Ich denke, das System, was wir aktuell vorfinden, ist nicht reformierbar, es muss komplett neu geordnet werden“, sagt Julian Bender. Der 28-jährige Angestellte ist der sogenannte Gebietsleiter West der neonazistischen Organisation „Der III. Weg“. Kaum eine Gruppe am rechten Rand agitiert so offen gegen die Demokratie. Viele ihrer Mitglieder entstammen dem gewaltbereiten Spektrum, warnen die Verfassungsschutzbehörden. Heute gehören der Gruppe knapp 600 Mitglieder in 20 Stützpunkten an. „Re:“ hat die Gruppe ein Vierteljahr lang begleitet. Die Reportage „Militant und rechtsextrem – Der III. Weg und die Neonazi-Szene“ zeigt, wie die Rechtsextremisten in neue Gebiete expandieren und Mitglieder anwerben. Im Mittelpunkt steht dabei ein breites Sozialprogramm nur für Deutsche: Hausaufgabenbetreuung, Kleidung für Bedürftige und ein Frauenfrühstück bietet die Gruppe zum Beispiel in Plauen. Tony Gentsch ist der Sektionsleiter vor Ort, ein ehemaliger Skinhead, der heute an der Essenstafel für Sozialschwache mithilft. Für Gentsch gehört die soziale Arbeit zum politischen Kampf: „Gemeinschaft schreiben wir ganz groß.“ Immer wieder werden auf Veranstaltungen ganz offen nationalsozialistische Parolen verbreitet. Auf dem Tag des Heimatschutzes in Olpe ruft eine Rednerin des III. Weges ins Publikum: „Im politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Bereich muss die Losung heißen: Gemeinnutz geht vor Eigennutz. Vom Ich zum Wir.“ Politische Tabus brechen, Freiräume für völkisches Denken erobern – das scheint die Strategie, verpackt in einer sozialen Fassade. (Text: arte)

Der Norden Marseilles ist seit Jahrzehnten berühmt und berüchtigt für seine Sozialbauviertel, die vom Drogenhandel und von Armut geprägt sind. Eine außergewöhnliche Hilfsaktion sorgt nun weltweit für positive Schlagzeilen aus diesem Bezirk: Seit der Corona-Pandemie verteilen zwei Bewohner in einer ehemaligen Fast-Food-Filiale Essenspakete für mittellose Marseiller. Die dabei entstandene Solidarität und Hilfsbereitschaft nutzen sie, um in den langen Sommerferien die Familien mit Ferienaktivitäten auf andere Gedanken zu bringen. Die Reportage begleitet Salim Grabsi und Kamel Guémari bei ihrem unermüdlichen Einsatz für die Ärmsten der Hafenstadt. Mit der Unterstützung zahlreicher Vereine organisieren sie Essenspakete, Ausflüge und Wassersportaktivitäten für die Kinder und Eltern und haben immer ein offenes Ohr für deren Sorgen und Nöte. Ihr Ziel: den Familien langfristig zur Seite zu stehen. (Text: arte)

Sechs Tage die Woche klappert die 67-jährige Leokadija Lescika mit ihrem Fahrer, Andris Klesa, mehr als hundert Verkaufsstellen ab. In den kleinen Dörfern und den vielen Einzelgehöften wird der rollende Tante Emma Laden schon sehnlichst erwartet. Das nächste Geschäft ist oft 20 Kilometer entfernt. Ohne Pkw bedeutet der Einkauf eine beschwerliche Tagesreise mit Bus oder Bahn. Für ihre Kunden ist so die wöchentliche Visite des klapprigen Verkaufsbusses ein „Gottesgeschenk“. Gerne erfüllt Leokadija kleine Sonderwünsche und wenn die schmale Rente am Ende des Monats nicht mal mehr für das Brot reicht, gewährt sie auch Kredit. Die Region ist durch Überalterung, Abwanderung und fehlende Arbeitsplätze geprägt.Jeden Tag beten Leokadija Lescika und ihr Fahrer, dass ihr rollender Laden weiter durchhält. Trotz der harten Arbeit reichen die Einnahmen nicht, um eine größere Reparatur des Verkaufswagens zu bezahlen, von einem neuen Fahrzeug ganz zu schweigen. „Re:“ hat Leokadija Lescika und Andris Klesa auf ihren Touren durch die lettische Provinz begleitet, ist bei StammkundInnen zu Gast und lernt die landschaftlich wunderschöne Region, inmitten des Nationalparks Gauja, kennen. (Text: arte)

Der grausame Mord an einer Studentin in der küstennahen Provinz Muğla löste im vergangenen Sommer landesweite Demonstrationen aus. Die 27-Jährige Pinar Gültekin wurde geschlagen, erwürgt und verbrannt. Täter ist ihr Ex-Freund. Die Eltern des Opfers, Kurden aus dem ostanatolischen Bitlis, sind fassungslos. Vater Siddik: „Da kommt ein Mensch und ruiniert unser ganzes Leben, zerstört die Familie. Ich verstehe das einfach nicht.“ Vielen Männern aus konservativ-religiös geprägten Gesellschaftsschichten passt es nicht, wenn sich ihre Frauen emanzipieren und nach mehr Freiheit streben. Nach Polizeiangaben begründen Männer ihre Taten mit Gründen wie „hat sich die Haare rot gefärbt“ oder „hat die Wäsche nicht gewaschen“. Figan Erozan aus Bodrum engagiert sich seit 30 Jahren für die Rechte der Frauen in der Türkei. Ihr Verein hat einen Notruf, der mittlerweile landesweit bekannt ist. Frauen aus der ganzen Türkei melden sich, wenn sie sich bedroht fühlen. Figan organisiert nicht nur praktische Hilfe, sondern vermittelt auch juristischen Beistand. Für die Frauenrechtlerinnen ist es unverständlich, dass die Regierung jetzt die sogenannte „Istanbul-Konvention“ zum Schutz vor Gewalt gegen Frauen in Frage stellt. Figan Erozan: „Häusliche Gewalt ist dann wieder Familienangelegenheit und wird vertuscht. Dagegen lehnen wir uns auf! „ (Text: arte)

Wer seinen Konsum nachhaltig gestalten möchte, hat es nicht leicht. Da klingt das Versprechen von Jan-Philipp Bleeke fast zu schön, um wahr zu sein: Wein trinken und damit die Welt verbessern? Der junge Winzer von der Mosel betreibt bio-dynamischen Weinbau, möchte fair produzieren und trotzdem einen Wein herstellen, den sich jeder leisten kann. Seine solidarische Weinwirtschaft bezieht die Konsumenten in den Produktionsprozess mit ein. „Re:“ begleitet die Mitglieder der ersten solidarischen Weinwirtschaft Deutschlands in ihrem ersten Jahr und fragt, ob so ein Modell funktionieren kann. (Text: arte)

Sie sind männlich, rechts und demonstrieren schon vor dem Spiel ihre Stärke. Die „Lauta Army“ von Lokomotiw Plowdiw ist eine der härtesten Ultra-Gruppen Europas. Hier organisieren sich etwa 80 Hooligans mit rechter Gesinnung und Vaterlandsliebe für Verein und Nation. Die Reportage begleitet Petar, den Chef der Gruppe, vom Treffpunkt der Ultras bis zum Stadtderby und zeigt das Leben eines Hooligans. Ultras dominieren bei einigen Spielen in Bulgarien das Stadionbild und haben enormen Einfluss auf den nationalen Fußball und auf das Image des bulgarischen Fußballs insgesamt. Im Mittelpunkt der internationalen Berichterstattung stand bisher das Länderspiel Bulgarien gegen England Ende 2019, bei dem bulgarische Fans englische Spieler mit rassistischen Rufen und Affenlauten bedachten sowie Hitlergrüße zeigten. Auch Wasil ist Ultra. Seine Mannschaft ist Lewski Sofia. Und auch hier gibt es viele rechte Fans. Doch Wasil versucht seinen Verein ohne rechte Symbolik und Gewaltbereitschaft zu unterstützen. (Text: arte)

Seit fast zwei Jahren lebt Jewgeni, abgeschottet von der Außenwelt, in einem Zimmer in der Lungenfachklinik in Borstel bei Hamburg. Neun Stunden am Tag tropfen Medikamente in seinen Körper. Doch er ist zufrieden mit seinem Schicksal. Jewgeni kommt aus der Ukraine, mit 22 erkrankte er an Tuberkulose. Nach zehn Jahren erfolgloser Behandlung in seinem Heimatland gab es für ihn nur noch eine Möglichkeit, um nicht zu sterben. Er machte sich auf – nach Deutschland. Seine abenteuerliche Reise brachte ihn am Ende nach Borstel – ins Leibnitz Lungenzentrum zu Professor Christoph Lange. Nun hofft er, dass er bald nach Hause kann, zu seiner Frau Oxana, die in der ukrainischen Stadt Charkiw lebt. Für Lena gibt es kaum noch Hoffnung – auch sie lebt in Charkiw. Sie ist 32 Jahre alt und wird wahrscheinlich bald sterben – es gibt keine Medikamente für sie. Tuberkulose auch als Schwindsucht oder Weißer Tod bekannt, gilt seit Mitte des 20. Jahrhunderts in Westeuropa als besiegt. In Deutschland gibt es lediglich fünf Fälle pro 100.000 Einwohner. Aber für Professor Lange in Borstel sieht die Situation anders aus: „Die Anzahl der absoluten Tuberkulosefälle weltweit war noch nie so hoch.“ In Osteuropa – in Russland, Belarus, der Republik Moldau und der Ukraine – gibt es sehr viele Erkrankungen. Und vor allem erkranken viele, so auch Jewgeni, an einer Form der Tuberkulose, deren Erreger gegen die meisten Antibiotika resistent sind. Die Behandlung solcher Fälle dauert ungleich länger und kostet viel Geld. In den westlichen Ländern ist das kein Problem, in Osteuropa schon. (Text: arte)

Der Wunsch ein drogenfreies Leben zu führen, eint alle 130 Bewohner des Hofes Fleckenbühl. Die Selbsthilfeeinrichtung arbeitet ohne Ärzte und Therapeuten. Sie wird geführt von ehemaligen Drogensüchtigen, die wissen, dass Süchtige „jede Lücke im System suchen“. Es herrschen strenge Regeln keinerlei Suchtmittel, nicht einmal Nikotin ist erlaubt. Henry, 20, ist neu auf dem Hof und denkt immer wieder daran seinen Aufenthalt hier abzubrechen. Immer noch sehnt er sich nach dem Rausch, dazu fällt es ihm schwer sich in der Hierarchie des Hofs zurecht zu finden. Dabei werden die Neuen von den Alten unterstützt und mit Hilfsarbeiten versorgt, die sie von der Sucht ablenken sollen. Amrei, 77, lebt schon seit 20 Jahren in Fleckenbühl und genießt als langjährige Bewohnerin viele Vorteile. Die ehemalige Alkoholikerin braucht den Hof nicht mehr um nüchtern zu bleiben, liebt aber die Gemeinschaft. Für die meisten Süchtigen bleibt die Sucht ein lebenslanges Thema. Führt der Fleckenbühler Weg hinaus? (Text: arte)

Verpflichtende Sexualkunde existiert im konservativen Polen nicht. An den Schulen wird nur das Wahlfach „Vorbereitung auf das Familienleben“ angeboten, dass von den erzkonservativen Ansichten der Kirche geprägt ist. Noch haben Schulen die Möglichkeit sich mit Hilfe von Vereinen und NGO’s liberale Aufklärungsworkshops von außen heranzuholen. In der Praxis findet das allerdings nur in einigen wenigen Großstädten statt. Wenn es nach der nationalkonservativen Regierungspartei PiS geht, soll es diese Möglichkeit bald nicht mehr geben. Ein neuer Gesetzesentwurf will Aufklärung für Minderjährige defacto unter Strafe stellen, mit bis zu drei Jahren Gefängnis. Initiiert wurde das Vorhaben von dem homo- und transfeindlichen Bündnis „Stop Pedofilii“, dass sich den vermeintlichen „Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt durch LGBTQ-Aktivisten“ auf die Fahnen geschrieben hat. Ihr homophob motivierter Kreuzzug gegen sexuelle Aufklärung wird von der Regierung unterstützt und fällt in eine Zeit, in der das gesellschaftliche Klima für nicht heteronormative Menschen in Polen immer gefährlicher wird. Mittlerweile haben sich knapp 80 Gemeinden und Landkreise zu sogernannten „LGBT-freien Zonen“ erklärt. Wie leben die Betroffenen in einem solchen Klima? Re: begleitet junge Polinnen bei ihrem Kampf für eine progressive Sexualaufklärung und für ein offenes Polen. (Text: arte)

„Das Virus ist eine Strafe Gottes, wir hätten unseren Glauben entschiedener ausüben sollen“, ist Vasile überzeugt. Wie der Großteil der Bevölkerung Rumäniens bekennt auch er sich zur rumänisch-orthodoxen Kirche. Der Siebzigjährige ist tief gläubig und froh, dass die Kirchen und Klöster nach dem Lockdown wieder geöffnet haben. Gottesdienste mit Hunderten von Gläubigen, die dicht gedrängt stehen, finden wieder wie eh und je statt. Auch das Ritual des Priesterhandkusses und der Eucharistie, das bei den orthodoxen Christen mit einem Löffel durchgeführt wird, bleibt Bestandteil der Liturgie. Riskant, findet Fernsehjournalistin Carla Tanasie, denn das Potential zur Weiterverbreitung des Virus sei hoch: „Der größte Infektionsherd unseres Landes ist durch eine religiöse Feier entstanden“, erklärt die 36-Jährige. Sie beklagt, dass viele ihrer Landsleute die Maßnahmen gegen das Virus nicht ernst genug nehmen. So wie Maria. Die Rentnerin organisiert regelmäßig Wallfahrten für ihr Dorf und ist überzeugt, dass ihr Glaube sie vor dem Virus schütze: „Wo Gott ist, gibt es keine Krankheit. Wir gehen ständig in die Kirche und machen Wallfahrten – ohne Maske – und keiner von uns ist je krank geworden.“ Um ein breites Umdenken in der rumänischen Bevölkerung zu erreichen, hat Carla Tanasie eine neue Reportagereihe gestartet, in der sie regelmäßig die Auswirkungen des Virus auf den Corona-Intensivstationen des Landes dokumentiert. Rumänien hat mit der „zweiten Welle“ des Virus hart zu kämpfen. Carlas Sorge, dass das ohnehin marode Gesundheitssystem Rumäniens zusammenbrechen könnte, ist groß. (Text: arte)

Weihnachten steht vor der Tür, Kinder freuen sich. Jahresende ist für die Spielzeugindustrie die wichtigste Zeit, mit einem Umsatz von 7,5 Milliarden Euro – allein in Deutschland. Ein Großteil des Spielzeugs ist aber als Wegwerfware konzipiert: Spielzeugautos, die sich nicht reparieren lassen. Puppen, für die es keine Anziehsachen nachzukaufen gibt. Das Thema Nachhaltigkeit spielt beim Spielzeug kaum eine Rolle, ebenso wie die Diversität. Noch immer sind Mädchensachen rosa, und die meisten Figuren spiegeln die Lebenswirklichkeit einer modernen Gesellschaft nicht wider. Claire Tournefier aus Paris gehört zu den Pionieren einer Bewegung, die den Umgang mit Spielzeug erneuern will. Ihr Verein Rejoué – übersetzt heißt das, „wieder damit spielen“ -, sammelt in großem Maße altes oder ausrangiertes Spielzeug. In eigenen Werkstätten wird es aufbereitet. Die erneuerten Autos, Puppen und Teddys sorgen dann in Kindergärten oder bei sozial benachteiligten Familien für strahlende Kinderaugen. Hans-Joachim Simon ist eigentlich Informatiker. Aber von seinen Kindern hörte der Familienvater aus Bonn nach besonders wilden Spiel-Sessions immer: „Papa, mach das mal ganz!“ Deshalb gründete er einen Verein, der Spielzeuge repariert – auch wenn es rein wirtschaftlich oft kaum Sinn ergibt. In seinem Keller in Bonn repariert er seit 2012 nicht nur die Spielzeuge seiner Kinder, sondern arbeitet auch Aufträge ab, die über seine Website hereinkommen. Mittlerweile ist er in ganz Deutschland vernetzt. Nachhaltiges Spielzeug ist vor allem eine Frage der Herstellung. Die Firma Gollnest & Kiesel (goki) aus der Nähe von Hamburg versucht seit Gründung, den Nachhaltigkeitsgedanken in allen Aspekten der Produktion einfließen zu lassen. Das beginnt beim Rohmaterial: goki pflanzt regelmäßig Wälder nach. Das Holz wird in klimaneutralen Werken verarbeitet, die Farben sind umweltschonend, und die Konstruktion ist auf Langlebigkeit ausgelegt. Eines der wichtigsten Umweltthemen ist der Versand von Spielzeugen

Damals, 1992, schlug eine Rakete unmittelbar neben ihm ein und verletzte ihn so schwer, dass sein Bein nicht mehr zu retten war. Zlatans Heimatstadt Bihac im Nordwesten Bosniens wurde damals im Jugoslawien-Krieg bombardiert. Zlatan war das erste zivile Opfer der Stadt.Heute ist Bihac Brennpunkt der europäischen Flüchtlingskrise. Nur wenige Kilometer von Kroatien – und damit der Außengrenze der Europäischen Union – entfernt, stecken hier tausende Menschen aus Pakistan, Afghanistan oder afrikanischen Staaten fest. Viele von denen, die es über die Grenze schaffen, werden von der kroatischen Grenzpolizei verprügelt, misshandelt und zurück nach Bosnien getrieben. Dass diese „Push-backs“ völkerrechtswidrig sind, scheine in der EU niemanden zu interessieren, kritisieren Menschenrechtler.Zlatan ist heute einer der wenigen Menschen in der Region, die bereit sind zu helfen. Als Kopf der kleinen Hilfsorganisation „SOS Bihać“ ist er Tag und Nacht beschäftigt. Sieben Tage die Woche, wenn es sein muss bis zu 24 Stunden am Tag. Von seiner Behinderung lässt er sich dabei nicht abhalten. „Die Tatsache, dass ich nur noch ein Bein habe, hat mich stark gemacht.“Seitdem die Migranten da sind, brodelt es in der lokalen Bevölkerung. Viele Leute in Bosnien sind arbeitslos und arm. Helfer wie Zlatan werden angefeindet von denen, die der Meinung sind, dass Migranten in der Stadt nichts zu suchen haben. Zlatans Strategie: Nicht nur die Fremden unterstützen, sondern auch andere Bedürftige in Bihac. „Ich will, dass in meiner Stadt die Menschlichkeit siegt.“ (Text: arte)

Philipp und Bruno sitzen im Auto, es ist früher Morgen. Die beiden Freunde sind auf dem Weg von Tirana in die albanische Provinzstadt Korca im Südosten des Landes. Es wird ein aufregender Tag. Ein Kunde in Korca hat eine Solaranlage für sein Dach bestellt. Doch in Albanien warten auf jedem Dach neue Überraschungen. Der Eigentümer hat sein Haus diverse Male aus- und umgebaut, eine komplexe Dachstruktur ist entstanden. Da heißt es improvisieren. Montageelemente fehlen, der Kran ist auch nicht gekommen – die Bauarbeiter sind vor Ort, aber können nicht mit der Arbeit beginnen. Während viele junge Albaner das Land verlassen, um anderswo ihr Glück zu finden, sind die beiden Jungunternehmer den umgekehrten Weg gegangen. Philipp ist Deutscher, Bruno Albaner – sie haben sich in Deutschland bei ihrem Elektrotechnik-Studium kennengelernt. Letztes Jahr gründeten sie ihre Firma Vegasolar, ein Startup-Unternehmen in Albanien, das inzwischen mit 10 festen und bis zu 20 Leiharbeitern das Land mit Solaranlagen versorgt. Und es scheint, dass Albanien auf die beiden jungen Ingenieure sehnsüchtig gewartet hat: Denn Albanien hat nicht nur 300 Sonnenstunden im Jahr, sondern möchte als EU-Anwärter auch die Versorgung mit erneuerbaren Energien ausbauen. Erst vor kurzem wurden in Albanien die gesetzlichen Voraussetzungen für die Installation von Solaranlagen und die Einspeisung von Strom in die öffentlichen Netze geschaffen, auch dank der Expertise von Bruno und Philipp. (Text: arte)

Monatelang hat sich Julia Montagne auf das Rennen von Florac vorbereitet. Den 160-Kilometer-Ritt bestreitet sie zum ersten Mal. Die 28-jährige Französin und ihr Partner Robert Diez Noguera haben dazu das beste Pferd in ihrem Stall ausgewählt, die Araber-Stute Batanga. Das Rennen in Südfrankreich gilt als eines der technisch anspruchsvollsten. Um das Wohlergehen der Pferde zu gewährleisten, ist Tierarzt Antoine Séguin während des Rennens rund um die Uhr im Einsatz. Séguin gehört zu den offiziellen Tierärzten der FEI, dem Weltpferdesportverband. Ärzte wie er untersuchen die Pferde vor, während und nach dem Rennen auf Herz und Nieren. Wenn ein Pferd lahmt oder dehydriert ist, wird es aus dem Wettkampf genommen. Séguins Rolle wird zunehmend wichtiger: In der Vergangenheit hatte der Sport häufiger mit Vorwürfen der Tierquälerei und mit Manipulationen zu kämpfen. Immer wieder starben erschöpfte Pferde. Lässt sich das Distanzreiten gesund und sicher praktizieren? Reiter wie der deutsche Meister Bernhard Dornsiepen sind davon überzeugt. „Ich als Reiter habe die Verantwortung für das Tier. Ich muss dem Pferd nach dem Ritt mit reinem Gewissen in die Augen schauen können und sagen: Das haben wir gemeinsam geschafft!“ Auch Dornsiepen will in Florac antreten. Doch die Corona-Pandemie in Frankreich macht eine Teilnahme ungewiss. Nicht nur das: Auch das Wetter sorgt für zusätzliche Turbulenzen. (Text: arte)

Nicht nur in den Kirchen wird es leerer, auch in Deutschlands Klöstern macht sich Einsamkeit breit. Gab es 1960 noch etwa 110.000 Nonnen und Mönche, sind es heute weniger als 18.000 Ordensmitglieder. Die Franziskaner in Rheda-Wiedenbrück gehören zu Gottes letzten Dienern. Sie sind nur noch zu dritt und zwei der Brüder sind jenseits der 80. Jetzt müssen sie ihre Sachen packen. Die Entscheidung, den Standort aufzugeben, ist für den Orden eine schmerzliche Zäsur. Doch eine Alternative gibt es nicht. „Wir haben seit mehreren Jahren keinen Nachwuchs“, sagt Bruder Korbinian Klinger.Die Orden in Deutschland haben ein Nachwuchsproblem. Die meisten Nonnen und Mönche sind längst im Rentenalter. Da ist es fast schon ein Wunder, wenn sich eine 24-Jährige für ein Leben in Stille und Einkehr entscheidet. Nach 27 Jahren ist Annika Zöll die erste Novizin bei den „Franziskanerinnen von der ewigen Anbetung zu Olpe.“ Ein Leben als Ordensschwester bedeutet für für die junge Frau viel mehr als Verzicht, sie will neue Impulse setzen: „Ich bin nicht ins Kloster gegangen, um den ganzen Tag zu schweigen, sondern um Gemeinschaft zu leben – im hier und heute!“Im Kloster Arenberg bei Koblenz liegt das Durchschnittsalter der Dominikanerinnen bei 81 Jahren. Doch der Alltag ist nicht von Abschied und Wehmut geprägt. Denn auch wenn der Nachwuchs fehlt, die weltliche Faszination für das Klosterleben nimmt zu. Das haben auch die Schwestern gespürt und sich für einen mutigen Neuanfang entschieden. Mit einem Vitalzentrum hat sich das Kloster als spirituelle Wellness-Oase neu erfunden. Schwester Christina dient hier nicht nur Gott, sondern auch der Entspannung der Klostergäste. Als Masseurin legt sie jeden Tag für ein paar Stunden ihr Ordenskleid ab. Für sie ist das keine Verwandlung, sondern nur eine andere Form der Berufung. (Text: arte)

Tonke Dennebaum packt unbequeme Themen an: der 46-jährige Regens im Bistum Mainz bildet Priester aus. Er findet, dass die Kirche glaubwürdiges Personal im Umgang mit Schutzbefohlenen braucht. Bewerber für das Priesteramt prüft er gemeinsam mit Sexualtherapeuten auf Herz und Nieren. Das stößt in Teilen der katholischen Kirche auf Widerstand. Ebenso wie die Bewegung Maria 2.0, die mehr Gleichberechtigung für Frauen fordert: Zu katholischer Tradition gehört es, dass Frauen hinter den Kulissen einfache Dienste verrichten dürfen, während ausschließlich Männer Päpste, Kardinale, Bischöfe oder Diakone sind. Aber die weibliche Geduld hat nun ein Ende. Regina Ladewig, eine 44-jährige Religionslehrerin, ist eine der lautesten Aktivistinnen. Seit ihrer Jugend fühlt sie sich zur Priesterin berufen und ließ sich von der internationalen Bewegung der römisch-katholischen Priesterinnen zur Diakonin weihen. Ein Kirchengericht in Rom verhandelte lange über ihre Exkommunikation. Doch Ladewig darf Mitglied bleiben und auch wieder Religion unterrichten. Aber werden die Proteste der „Marias 2.0.“ überhaupt ernst genommen? Eine andere Sicht auf Kirche hat Schwester Sophia: Sie ist 29 Jahre, postet regelmäßig auf ihrem Instagram-Account und ist Novizin im Franziskanerinnen-Orden. Die „Braut Jesu“ sieht sich selbst als Feministin – wie geht das zusammen? (Text: arte)

Könnten wir es uns im Namen des Humors erlauben, die Muslime in Frankreich und in der ganzen Welt zu schockieren? Oder ist es gerade im Gegenteil notwendig, weiterhin über alles zu lachen, auch über Mohammed und den Papst? In Paris drangen vor 5 Jahren die Brüder Kouachi in die Räumlichkeiten der Zeitung Charlie Hebdo ein und ermordeten im Namen Allahs die Karikaturisten Cabu, Charb, Honoré, Tignous und Wolinski sowie sechs ihrer Kollegen, weil sie es gewagt hatten, den Propheten Mohammed zu karikieren.Einige Tage später ging Frankreich, schockiert von der Gewalt der Anschläge auf die Straße, um für die Meinungsfreiheit zu demonstrieren, ausländische Staats- und Regierungschefs schlossen sich der Pariser Prozession an. Dann kamen die ersten Meinungsverschiedenheiten: Nein, nicht jeder war „Charlie“. Fünf Jahre später begann der Prozess. Ein politischer Prozess, der auch die französische Gesellschaft unter die Lupe nimmt. Sind wir immer noch „Charlie“? (Text: arte)

Sogar die Schreie der Möwen sind weniger geworden. Es gibt seit Monaten kaum Touristen, denen sie etwas zu fressen stehlen könnten, und so haben viele Möwen Venedig verlassen. Das Ausbleiben der Besuchermassen bedeutet massive wirtschaftliche Probleme in der fast ausschließlich auf Tourismus ausgerichteten Stadt. Und doch atmen die letzten noch verbliebenen Venezianer nach dem ersten Lockdown auf. Jahrzehntelang gab es nicht nur auf der Rialtobrücke oder dem Markusplatz kaum noch ein Durchkommen, auch auf den Kanälen stauten sich die mit Besuchern besetzten Gondeln – zum Nachteil von Anwohnern, Handwerkern oder der Ambulanz-Boote.Die Venezianer hatten sich an diesen Ausnahmezustand gewöhnt – doch viele Einheimische sind nicht mehr bereit, dahin zurückzukehren und üben Widerstand. Der Rechtsanwalt Andrea Zorzi organisiert Flashmobs gegen neue touristische Bauvorhaben in einem der letzten intakten Wohnviertel, die Society-Lady und Umweltaktivistin Jane da Mosto macht gegen die Rückkehr der Kreuzfahrtschiffe mobil.“Radikal Chic“ nennt der Hafenarbeiter Silvestro Ravagnan das Engagement gegen die Tourismusindustrie in weiten Kreisen der Bevölkerung. Er selbst ist arbeitslos seit die Kreuzfahrtschiffe wegen Corona ausbleiben.Doch mit einem „Weiter wie bisher“ ist Venedig auf dem Weg, „zu einer Kopie seiner selbst zu werden,“ sagt die Künstlerin Sara Tirelli. Sie zeigt ihr Venedig, in dem gerade die Weichen für die Zukunft gestellt werden – denn, so sagt sie, „Venedig soll wieder eine lebenswerte Stadt und kein touristischer Vergnügungspark sein.“ (Text: arte)

Denn die Stadt hat ein Problem: knapp 6.200 Menschen leben hier auf der Straße. Europaweit steigt die Zahl der Obdachlosen dramatisch an: Zuletzt wurde sie auf 700.000 geschätzt – das ist ein Anstieg von 70 Prozent innerhalb der letzten zehn Jahre.André kennt das Leben ohne Dach über dem Kopf – neun Jahren hat auf der Straße gelebt, dann nahm er die Sache selbst in die Hand und besetzte ein leerstehendes Bürogebäude auf dem Kölner Großmarkt. Seine Idee: hier sollen Obdachlose und auch polnische Wanderarbeiter selbstverwaltet wohnen und arbeiten. So finden auch Thorsten und Ryszard ihren Weg ins OMZ das steht für „Obdachlose mit Zukunft“. Endlich ein Dach über dem Kopf, eine Tür, die man abschließen kann. Thorsten findet hier Halt, entdeckt sogar seine künstlerische Ader und beginnt zu malen. Ryszard hat wieder eine Familie, die polnische Community im Haus. Für die Stadtverwaltung ist die Besetzung Rechtsbruch, mehrere Male schon soll das Haus geräumt werden. Pfarrer Hans Mörtter dagegen sieht das OMZ als Pilotprojekt für andere Städte: Auf der Straße gilt das Recht des Stärkeren, im Haus müssen die Bewohner lernen, Konflikte mit Worten zu lösen. Schaffen sie es, ihren Traum vom selbstverwalteten Wohnen dauerhaft zu leben? (Text: arte)

Marc Roschmann aus Göppingen, Vorsitzender des Stuttgarter Schaustellerverbandes, stammt aus einer Schaustellerdynastie und führt die Geschäfte der Familie in vierter Generation. Der Familienvater macht ein Drittel des Jahresumsatzes mit dem Weihnachtsgeschäft. Aber dort, wo normalerweise die Lichter seines Süßigkeitenstands auf dem Weihnachtsmarkt leuchten, steht heute das Corona-Testzentrum. Der 39-Jährige kann sich selbst und die Kollegen nur mit der sogenannten Insellösung trösten: Das bedeutet, vereinzelte Stände über die Innenstadt verteilt. Eine Alternative, die in den meisten Großstädten Deutschlands greift. Anders in der Schweiz. In Bülach bei Zürich brennen nicht nur die Kerzen, sondern auch die Platte unter dem Glühweintopf. Dahinter steht Lars Gräf, der sich mit der Absage des Weihnachtsmarktes im Ort nicht abfinden wollte und nun kurzum selbst das „Weihnachtsdorf“ aus privater Initiative heraus organisiert. Das Hygienekonzept steht – Schlendern, Bratwurst und Alkohol sind hier am 2. und 3. Adventswochenende trotzdem erlaubt. Hält es dem Besucheraufkommen und den Erwartungen stand? Der offizielle Weihnachtsmarkt von Bülach lockte in den vergangenen Jahren bis zu 60.000 Besucher an einem Wochenende an. Auch Patrick Schultze, Busunternehmer aus Görlitz, hat eine Alternative für den Ausfall des Weihnachtsgeschäftes auf die Beine gestellt. Die Hälfte seiner Flotte steht still, denn es gibt keine Weihnachtsmarkttouristen mehr, die er nach Polen, Dresden und Königstein fahren kann. Der 36-jährige fährt in der Adventszeit ein selbst gebautes Glühweintaxi. (Text: arte)

Oberärztin Maja Iversen dirigiert den Ausnahmezustand auf einer Covid-Intensivstation in Hamburg. Tag für Tag wächst die Zahl der Infizierten in der Klinik, gleichzeitig müssen auch die anderen Schwerkranken versorgt werden. Sie ist besorgt: Es gibt zwar noch einige freie Betten, aber es fehlt an Personal. Drei Stockwerke höher auf der Isolierstation versuchen Ärzte und Pfleger die wachsende Zahl an Patienten so gut zu behandeln, dass sie erst gar nicht auf die Intensivstation kommen. Die Ärzte wissen mehr über die Krankheit als in der ersten Welle, doch das Virus bleibt unberechenbar. (Text: arte)

Die Arztpraxen sind überlastet, die Labore kommen mit der Analyse nicht mehr hinterher, Reagenzien werden knapp. Könnte die Freigabe des unkomplizierten Antigen-Schnelltests, die manche Ärzte fordern, die Lösung sein? Bisher sind die, wegen ihrer Fehleranfälligkeit, nicht für den Hausgebrauch vorgesehen. Die offizielle Teststrategie setzt stattdessen auf die verlässlicheren PCR-Tests, die im Labor ausgewertet werden. Während die Debatte über den richtigen Weg immer schärfer wird und Hunderttausende gesunde Schüler und Berufstätige die Wartezeit in Quarantäne verbringen, werden mit Hochdruck überall neue Impfzentren hochgezogen. Spätestens im Januar will man beginnen, die Bevölkerung zu immunisieren. Doch die aktuellen Probleme sind dadurch noch lange nicht gelöst. Der Film führt hinter die Kulissen der Test-Debatte. Nach Ingelheim ins Bioscientia-Labor, wo die erschöpfte Mannschaft buchstäblich rund um die Uhr arbeitet. Zur engagierten Haus- und Notärztin Lisa Federle, die in Tübingen auf eigene Faust die Alten und Pflegebedürftigen schützt und zum Berliner Chef-Koordinator Albrecht Broemme, der in nur zwei Wochen sechs Impfzentren aufbauen soll. (Text: arte)

Die Geschichte des Missionskrankenhauses „Diospi Suyana“ klingt unglaublich. Inmitten der Anden, unweit der legendären Inkastätte Machu Picchu, auf 2.650 Meter Höhe, liegt eine der modernsten Kliniken Südamerikas. Eine, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Ärmsten der Armen, die Quechua, die Nachfahren der Inka, zu versorgen. Und das nahezu unentgeltlich. Gemeinsam mit seiner Frau Martina hat Klaus John dieses ambitionierte Projekt aufgebaut. Im Oktober 2007 war es soweit. Der erste Patient konnte dort behandelt werden. In einem Krankenhaus, das mit modernsten Gerätschaften ausgestattet ist. Das haben Spenden möglich gemacht. Unermüdlich reist Klaus John immer wieder nach Europa und den USA und hält Vorträge, begeistert Menschen für das Projekt und Firmen, die gerne mit Geräten helfen. 270 Mitarbeiter arbeiten mittlerweile in dem Andenkrankenhaus, dessen wohltätige Arbeit sich im ganzen Land herumgesprochen hat. Quechua aus allen Landesteilen reisen zur Behandlung hierher, manche sind drei Tage unterwegs. Ein internationales Ärzteteam kümmert sich um sie. Alle arbeiten ohne Lohn, alle sind hier aus Überzeugung, weil sie ‚etwas richtig Sinnvolles machen wollen‘. Wer hier arbeiten will, muss sich für mindestens drei Jahre verpflichten. So wie Lukas Steffen, ein anerkannter, junger Chirurg aus der Schweiz. Verheiratet, zwei kleine Kinder, ein interessanter Arbeitsplatz in einem Spital in Basel, Karrieremöglichkeiten. Aber der tiefgläubige Arzt will mehr. „Was kann es für einen besseren Lohn geben, als Dankbarkeit!“ Inmitten der Coronapandemie hat er mit seiner Familie den schwierigen Weg nach Lateinamerika auf sich genommen. (Text: arte)

Seit über zwei Jahren demonstrieren weltweit Hunderttausende fürs Klima. Drei junge Aktivisten aus der bayerischen Stadt Kempten entschieden sich für einen Seitenwechsel: Sie kandidieren für die Kommunalwahl. Mehr als ein Jahr lang begleitet sie dieser Film: Können sie in der Politik mehr bewegen als durch Protest?Aber geht das so einfach? Über ein Jahr lang begleitet „Re:“ sie ab dem ersten Tag, wie sie versuchen, es ohne politische Erfahrung oder Unterstützung einer Partei in den Kemptener Stadtrat zu schaffen. Wie kommt man überhaupt auf eine Wahlliste? Und wie macht man Wahlkampf? Der Film begleitet sie bei ihren ersten Gehversuchen auf dem politischen Parkett. Lassen sich die anderen Parteien auf ihre Ideen ein? Und was sagen die eigenen Leute: Entfernen sie sich als Politiker immer weiter von ihrer Protestbewegung? Verraten sie mit zu viel Kompromissbereitschaft ihre Ideale? Mitten im Wahlkampf macht ihnen auch noch die Corona-Krise einen Strich durch die Rechnung: Der Stadt brechen Millionen-Einnahmen weg, die Wirtschaft ist am Boden. Schon vor Corona scheiterten Maßnahmen für mehr Klimaschutz meistens am Geld. Wie wollen sie ihre Forderungen jetzt noch umsetzen? (Text: arte)

Attila Jakab ist Bürgermeister im kleinen Ort Homorod in Zentralrumänien. Die Region in den Karparten ist eine der am dichtesten besiedelten Gegenden Europas – wenn es um Braunbären geht. Offiziell wird die Zahl auf 8.000 Exemplare beziffert – Tendenz steigend. Weil Attila nicht nur Bürgermeister, sondern auch Jäger ist, wird er bei Wildunfällen mit Bären regelmäßig zum Einsatz gerufen. Manchmal muss ein verletzter Bär erlöst werden, oft kann nur noch der Tod festgestellt werden. Der Lebensraum der Bären schrumpft durch massive Abholzung der Wälder, und so kommt es immer wieder zu lebensgefährlichen Begegnungen mit den Menschen. Insbesondere in Tourismusgebieten wagen sich Bären ohne Scheu bis an die Mülltonnen der Hotels heran. Auch Bauern und Schäfer leiden beträchtlich unter der Vielzahl an Braunbären. Die örtliche Berg-Polizei muss ohnmächtig zusehen, denn der Bär ist eine geschützte Art. Einen verträglicheren Umgang mit den Bären hat man in Estland gefunden. Durch eine streng regulierte Jagd wird die Population stabil gehalten. Hier leben die rund 800 Bären in den Tiefen der Wälder und am Rand von aufgegebenen menschlichen Siedlungen. Die Bären sorgen als Attraktion für sanften Tourismus sogar für den Erhalt ihres Habitats. Die beiden Biologen Triin Arsi und Bert Rähni führen kleine Gruppen zu einer Hütte, von wo aus man mit Geduld und Glück die scheuen Tiere in ihrer natürlichen Umgebung beobachten kann. (Text: arte)

Die Ware Mensch ist günstig für die organisierte Kriminalität. Anders als Drogen oder Waffen kostet sie fast nichts. Und man kann sie nicht nur einmal verkaufen, sondern immer wieder, Tag für Tag. Junge Frauen versuchen der Armut in ihren Heimatländern zu entkommen und landen in deutschen Bordellen. Die meisten stammen aus Rumänien oder Bulgarien. Gewissenlose Menschenhändler versprechen ihnen gut bezahlte Jobs, um sie hier in die Sexsklaverei zu zwingen. Manche verkaufen sich für den Gegenwert einer Packung Zigaretten. Erleichtert wird diese Zwangsprostitution durch eine Gesetzgebung, die Prostitution legalisiert und als Dienstleistung definiert, freiwillig angeboten. Wieviele Frauen gezwungen werden, bleibt dabei im Dunkeln. Zum Beispiel Sascha, die 20 bis 30 Freier am Tag bedienen musste, und die erst mit Hilfe von „Amalie“, einer Mannheimer Beratungsstelle für Frauen in der Prostitution, den Ausstieg geschafft hat. „Amalie“ hat ihr einen Job und eine Wohnung vermittelt, damit sie sich eine neue Existenz aufbauen kann. (Text: arte)

Maha Vajiralongkorn alias Rama X, König von Thailand, liebt Bayern, seine zweite Heimat. Sein königlicher Glanz scheint auf München, aber sein Land ist eine Militärdiktatur, und er ist ein absolutistischer Herrscher. Dutzende Regimekritiker flohen nach Europa – doch auch dort erhalten sie weiter Morddrohungen aus ihrer Heimat. Junya Yimprasert ist eine Akademikerin aus Thailand, spezialisiert auf die Geschichte der Arbeiterbewegung und seit mehr als 20 Jahren Demokratieaktivistin. Im Jahr 2010 veröffentlichte sie als Gastwissenschaftlerin in Finnland einen Essay mit dem Titel „Warum ich den König nicht mag“. Damals wusste sie, dass sie nie wieder in ihr Land zurückkehren konnte. Seitdem leitet sie die „Aktion für Demokratie in Thailand“, die öffentliche Aktionen in ganz Europa organisiert, um die Militärdiktatur und die Willkürherrschaft des Königs anzuprangern. Sie war dabei, als Exil-Thailänder gegen die Anwesenheit von König Rama X in Bayern protestierten. Mit Hilfe deutscher Künstler projizierten sie Botschaften auf die Fassade des Hotels, in dem er lebte: „Die Thailänder brauchen keinen König, der in Deutschland lebt.“ Sie ist nur eine von dutzenden Regimekritikern, die im Exil für eine Wende in ihrer Heimat in Richtung einer Demokratie kämpfen. (Text: arte)

Schlaglochpisten, marode Brücken und bröckelnde Hausfassaden: Der Sanierungsstau in Europa ist riesig. Neue Ideen können helfen, ihn zu bewältigen. Die Kommunen in Deutschland sind verantwortlich für etwa 67.000 Straßenbrücken, dazu kommen nochmal tausende Fußgänger- und Fahrradbrücken. Sie instand zu halten, kostet jährlich Milliarden Euro. Nach 25 Jahren müssen zum Beispiel viele Brücken komplett ersetzt werden. Dirk Büchler aus Mecklenburg-Vorpommern will das ändern. Der Tüftler stellt eigentlich Flügel für Windkrafträder aus Karbonfasern her. Sie sind leichter und stabiler als Stahl. Und: Sie halten wesentlich länger, weil Karbon weder rostet noch ermüdet. „Karbonfasern sind ideal für den Brückenbau. Sie halten große Lasten und sind nahezu unverwüstlich“, erklärt Büchler. Auf Rügen wird jetzt eine 24 Meter lange Fahrradbrücke aus Karbon gebaut. In den Niederlanden haben Kommunen, Energieversorger und Unternehmen einen Plan entwickelt, um alte Wohngebäude zu sanieren, ohne dass die Mieten steigen. „Wenn wir es ernst meinen mit den Klimazielen, dann müssen wir sehr viele Gebäude sehr schnell sanieren“, erklärt der Bauunternehmer Jan Willem Sloof. Er fertigt Wand- und Dachmodule vor und saniert damit mehrere Reihenhäuser gleichzeitig an einem Tag. Dies erspart Bewohnern zudem, während der Bauzeit ausziehen zu müssen. Der Sanierungsstau wird immer länger. 138 Milliarden Euro müsste Deutschland in den nächsten zehn Jahren investieren, um die Straßen und Brücken in den Städten und Gemeinden zukunftsfähig zu machen. Nur mit neuen Ideen lässt sich diese Aufgabe bewältigen. (Text: arte)

Morgens um halb sechs. Vier müde Kinder stehen vor der Badezimmertür und reiben ihre Augen. Die Schulbrote sind schon fertig, die Hühner gefüttert, alles im Zeitplan. Nur dass ihr 18-jähriger Sohn Kuba im Badezimmer trödelt, passt Mutter Agata nicht. „Beeile dich, du brauchst ja so lange wie ein Mädchen“, schimpft sie.Agata hat den Alltag gut im Griff. Ihr Mann Henryk ist Maurer und pendelt nach Deutschland, um dort zu arbeiten. Dann kümmert sich die 43-Jährige allein um Haus und Hof. Fünf ihrer Kinder sind schon groß und verdienen ihr eigenes Geld. Die sechs jüngsten gehen noch zur Schule.Früher wohnten sie mit elf kleinen Kindern in einer baufälligen Hütte. Heute haben sie ihr eigenes Häuschen. Der Haken: Das Glück ist sehr zerbrechlich. Obwohl sie vom Kindergeld profitieren, das die nationalkonservative PIS-Regierung einführte, reicht ihr Einkommen nicht, um Rücklagen zu bilden. Ehemann Henryk arbeitet mit Sohn Dawid in Deutschland und hangelt sich von Auftrag zu Auftrag. Findet er keinen Anschlussjob, wird er krank oder kann wegen Coronaeinschränkungen nicht arbeiten, reißt das ein riesiges Loch in die Haushaltskasse. Agatas größte Sorge: Henryk könnte krank werden oder einen Unfall haben. Dann müssten sie alles verkaufen und wieder bei Null anfangen. (Text: arte)

Kastelorizo, die östlichste griechische Insel im Mittelmeer, ist zum Symbol der Krise zwischen Griechenland und der Türkei geworden. Seit der türkische Präsident Erdoğan sein Forschungsschiff Oruç Reis in die Hoheitsgewässer des 9km² großen Eilands geschickt hat, um nach Öl und Gas zu suchen, droht der Streit in der Ägäis zu eskalieren. Die Marine beider Länder rüstet auf, und auch auf Kastelorizo wurde die Militärpräsenz deutlich verstärkt. Wird die Insel mit ihren 250 Einwohnern zum Kollateralopfer einer geopolitischen Krise? Wie leben die Menschen auf Kastelorizo mit der Bedrohung, der Angst und Unsicherheit? „Re:“ zeigt den veränderten Alltag der Inselbewohner: Während immer mehr Soldaten auf der Insel für Sicherheit sorgen sollen, ist Bürgermeister Stratos plötzlich ein gefragter Interviewpartner der Medien, Fischer Nikitas kann nicht mehr mit seinen türkischen Kollegen fischen, und die fehlenden türkischen Tagestouristen sind für die Tavernen im Hafen ein Problem. (Text: arte)

Die Zahl der digital angegriffenen Personen steigt. Einschüchterung und psychische Gewalt sollen sie aus der Öffentlichkeit drängen, meist aufgrund ihrer politischen Haltung, ihres Engagements oder ihrer Herkunft. Wie Fatima Benomar aus Paris: Als Feministin und Marokkanerin haben es die „Hater“ besonders auf sie abgesehen. Ihrem größten Shitstorm war sie ausgesetzt, als sie die „Podium-Girls“ der Tour de France öffentlich als eine sexistische Tradition bezeichnete und deren Abschaffung forderte. Sie wurde tausendfach beleidigt und bedroht. Ihr Versuch, gerichtlich gegen die Attacken vorzugehen, blieb erfolglos. Die Wiener Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl ist Expertin für rechtsextreme Bewegungen. In ihren Analysen, die sie zum Beispiel auf Twitter veröffentlicht, steht sie offen zur ihrer politisch linken Einstellung. Anfeindungen sind da beinahe Alltag. Doch nach einem Zeitungartikel wurde während eines massiven Shitstorms auch ihre Familie zur Zielscheibe. Hilfe fand Strobl bei „HateAid“. Die Beratungsstelle in Berlin ist einzigartig: Sie kümmert sich ausschließlich um Opfer digitaler Gewalt. Die Mitarbeiter unterstützen Strobl jetzt bei dem Versuch, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Zunehmenden Hass im Netz bekommt auch der Hannoveraner Politiker Belit Onay zu spüren. Onay ist der erste deutsche Oberbürgermeister mit türkischen Wurzeln. Am Tag seiner Wahl brach in den sozialen Netzwerken eine Hasswelle über ihn herein. Es folgten Morddrohungen per Mail. Offline ergibt sich ein komplett anderes Bild: In der realen Welt gehen die Menschen offen auf ihn zu. (Text: arte)

Zum ersten Mal seit fast 20 Jahren ist Berlin im ersten Halbjahr dieses Jahres geschrumpft. Doch es ist nicht nur die aktuelle Corona-bedingte Flucht, die Großstädte ihre Anziehungskraft verlieren lässt. Vor allem aus der Kreativszene hat sich eine neue Siedlungsbewegung aufgemacht, verlassene Landstriche der Provinz zu erobern. Zukunftspioniere, die Enge, Lärm und Vereinzelung entfliehen wollen, um in den Brachen und Leerstellen des von Abwanderung gezeichneten ländlichen Raumes neue soziale Utopien zu entwerfen. Freiheit zu finden, die in den verdichteten Großstädten heute unmöglich geworden scheint, um als Gemeinschaften mit neuen Formen des Zusammenlebens zu experimentieren. So entschied sich eine Innenarchitektin aus Berlin-Kreuzberg während des ersten Lockdowns, gemeinsam mit ihrem elfjährigen Sohn ins strukturschwachen Wendland zu ziehen. Nach Jahren als Alleinerziehende will sie dort in einer ehemaligen Molkerei zusammen mit ihrer Cousine und deren Familie eine WG zu gründen. Doch die Umstellung hat so ihre Tücken – und das Landleben praktische Herausforderungen wie eine gute Schule zu finden für die Kinder, neue berufliche Standbeine zu entwickeln und trotz fehlender Infrastruktur mobil zu bleiben. Die ehemalige Grafikdesignerin Julia Paaß hingegen will eine größere Gemeinschaft in einem verfallenen Gutshof im Osten Brandenburgs aufbauen – und kann sich vor interessierten Berlinern kaum retten. Alteingesessene fürchten eine „Invasion der Hipster“, doch sie wirbt um Vertrauen, denn der Zuzug von Großstadtflüchlingen könnte für die Dorfgemeinschaft nach Jahren des Niedergangs eine Chance sein. Und dies haben auch Politiker inzwischen erkannt: Mit ihrer Hilfe unterstützt Julia Paaß heute die Ansiedelung ähnlicher Projekte in abgehängten ländlichen Regionen. (Text: arte)

Zu den Kampfstoffen gehören Artilleriemunition, Torpedos, Minen, Brand- und Sprengbomben. 75 Jahre nach Kriegsende sind sie eine tickende Gefahr für die Natur und den Menschen. Der Sprengstoff kann immer noch plötzlich explodieren, austretendes TNT und Senfgas sind hochgiftig.Bis heute erfolgt keine systematische und flächendeckende Sondierung und Räumung der Kampfstoffe in den Küstenmeeren, nur im Zusammenhang mit bodenberührenden Bauvorhaben. Dabei fordern Umweltverbände und Forscher schon lange ein gezieltes Handeln der Politik.Dieter Guldin und sein Team der Firma SeaTerra haben sich auf die Suche nach Kampfmitteln und Blindgänger spezialisiert. Mit eigener hochentwickelter Technik sondieren die Experten Quadratmeter für Quadratmeter am Meeresboden. Was verdächtig ist, wird genau untersucht. „Entweder nehmen wir die gefundenen Kampfmittel dann vorsichtig mit an Bord und übergeben sie dem Kampfmittelräumdienst an Land, oder wir sprengen vor Ort,“ erzählt Dieter Guldin. Zum Beispiel neulich ein riesiger Blindgänger in der Oder-Mündung in Polen. (Text: arte)

Die Reportage führt hinter die Kulissen einer femininen Revolution und zeigt die Herzkammer dieser Startup-Revolution. Sie wird befeuert von Sozialen Medien wie dem Kurznachrichtendienst Telegram. Und es sind vor allem die gut ausgebildeten Belarussen im Ausland, die aus der Ferne aktiv mithelfen die Revolution am Leben zu halten. „Nation-Werdung“ zum Zuschauen sozusagen.Exil, Exodus und der innere Zirkel der Vilnius Gruppe: Neben der bekannten Freiheitskämpferin Swetlana Tichanowskaja und ihrer Büroleiterin und Freundin Maria Moro, leben zahlreiche StudentInnen von der belarussischen Exiluniversität in der Stadt. Etwa Sabina, sie ist gerade 19 Jahre alt geworden und wollte in Litauens Hauptstadt Vilnius Jura studieren. Nun kämpft sie als Nachrichtenmoderatorin gegen Lukaschenko und sein Regime.Zurück nach Belarus kann Sabina nicht, der Geheimdienst hat ihr zu erkennen gegeben, dass sie beobachtet wird. Und Lukaschenko hat seine Drohung wahr gemacht: Die Westgrenze zu Polen, Ukraine und Litauen ist geschlossen. Außer Waren und Diplomaten kommt keiner mehr ins Land, nur nach Russland sind die Übergänge noch offen. Die sichtbarsten Köpfe der belarussischen Demokratiebewegung sind Frauen. Denn viele männliche Führer wurden vom Regime weggesperrt. Wie der Ehemann von Swetlana Tichanowskaja. Statt ihm trat dann sie als Präsidentschaftskandidatin an. Was zunächst aus der Not geboren war, entpuppte sich als großartiger Schachzug: Denn der Autokrat in Minsk unterschätzte die Kraft der Frauen. Sie sehen sich als Teil der demokratischen Welt – und verlassen dafür ihre Heimat. (Text: arte)

Schroffe Vulkanlandschaften, kilometerlange Traumstrände und über 350 Sonnentage im Jahr – die kanarischen Inseln sind für viele Europäer und vor allem für Deutsche ein Paradies, in dem man gern überwintert. Doch Ende 2020 sorgt der Archipel nicht wegen seiner touristischen Attraktivität für Schlagzeilen. Die Kanaren sind zum Schauplatz einer humanitären Krise geworden. Tagtäglich kommen hunderte von Flüchtlingen auf den Inseln an, in schwimmenden Nussschalen, erschöpft, dehydriert und traumatisiert – und nur einen Steinwurf entfernt von den Touristenorten mit ihren Bettenburgen und Strandpromenaden.

Die Überfahrt über den Atlantik von Westafrika aus gilt als um ein Vielfaches gefährlicher als die Mittelmeerroute. NGOs schätzen, dass im Jahr 2020 allein im Herbst 500 Menschen auf der Überfahrt im Atlantik ertrunken sind.

Ende November beginnt eigentlich die Hauptsaison auf den Kanaren. Da die Inseln Ende 2020 eines der wenigen Reisegebiete sind, die nicht als Risikogebiet deklariert wurden, hoffen Hoteliers und Gastronomen noch auf ein Geschäft. Durch das Corona-Virus sind ihre Umsätze massiv eingebrochen, weil deutlich weniger Touristen anreisten. Nun befürchten viele, Hotels und Restaurants würden dauerhaft leer bleiben – und die Insel sich in ein neues Lesbos oder Lampedusa verwandeln. (Text: arte)

Da sind zum Beispiel ein Biobauer in Portugal, dem die Böden vertrocknen und die Ernten verdorren; auf der Nordsee-Insel Langeoog ein Hotel- und Restaurant-Besitzer, bei dem die Angst wächst mit dem Anstieg des Meeresspiegels. In Deutschland legt man alljährlich Millionen Steuergelder für den Küstenschutz hin, statt das Übel, den Temperaturanstieg, an die Wurzel zu packen und drastische Maßnahmen gegen den Klimawandel zu beschließen. In Brüssel wird der Green-Deal, unter anderen die Reduktion der Treibhausgase, laut verkündet, während in Portugal Zigtausend Hektare für Monokulturen geplant sind, und das in einem Naturreservat und in einer Region, die heute schon enorme Probleme mit dem Trinkwasser hat. Die Heimat des Biobauers Alfredo Sendim in Südportugal und die Heimatinsel des Hoteliers Michael Recktenwald in Deutschland: Beide Protagonisten sehen sie in Gefahr. (Text: arte)

Nach fast 50 Jahren muss Heinz-Dieter Herper sein geliebtes Zuhause in Neuwied verlassen. Eigentlich wollte er hier noch viele Jahre leben, aber eine Krankheit macht das unmöglich. Seine Tochter Marion ist am Ende ihrer Kräfte, denn sie kann die nötige Pflegearbeit neben ihrem Vollzeit-Job kaum noch leisten. Doch ihr Vater kann noch vieles selbstständig erledigen, deshalb kommt ein klassisches Altenheim für beide nicht in Frage. Der Bauernhof von Guido Pusch im Westerwald ermöglicht beides. Hier kann Dieter ein selbstbestimmtes Leben führen und wird gleichzeitig unterstützt, wo er Hilfe braucht. Aber die Umstellung ist groß. Plötzlich muss er sich sein Esszimmer mit 19 anderen Bewohnerinnen und Bewohnern teilen. Außerdem hatte der gelernte Industriekaufmann noch nie viel mit Tieren zu tun, schon gar nicht auf einem Bauernhof. Kann das gut gehen?Silke Timmermann ist Landwirtin mit einem Milchviehbetrieb in Schleswig-Holstein. Einer der wenigen, die hier noch übrig sind. Seit den 1970er Jahren ist die Zahl der Bauernhöfe in Deutschland um 75 Prozent geschrumpft, vor allem kleine Betriebe mussten aufgeben. Auch Silke Timmermann macht sich Sorgen um die Zukunft, eine Vergrößerung kommt für sie nicht in Frage, und ein Leben ohne den Hof kann sie sich nicht vorstellen. Auf der Suche nach Lösungen hilft ihr ein Lehrgang über soziale Landwirtschaft. Was kann sie alten Menschen auf ihrem Hof anbieten? Wie funktioniert tiergestützte Therapie mit Bauernhoftieren? Und können ihr dabei ihre Kühe helfen? (Text: arte)

Der Klimawandel sorgt in Russlands Teilrepublik Jakutien hoch im Norden für tiefe Einschnitte im Leben der Einwohner. Denn steigende Temperaturen lassen den Boden im Rekordtempo auftauen, der hier aus Permafrost besteht. Nun müssen immer mehr Menschen ihre Häuser und Dörfer verlassen.Der 30-jährige Artjom Nabereschnij arbeitet als Ingenieur am Permafrost-Institut in der Hauptstadt Jakutsk. Er versucht, frühzeitig Schäden zu erkennen und den Menschen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie und wo sie dennoch Häuser bauen können.Doch vielerorts ist es bereits zu spät. Zum Beispiel in der Kleinstadt Tschuraptscha, 140 Kilometer östlich von Jakutsk, wo Hausbesitzer wie die zweifache Mutter Snezhana jedes Jahr den Boden abpumpen und begradigen müssen. Doch auch diese Maßnahmen sind nur temporär und lassen erahnen, dass in wenigen Jahren ein normales Leben an diesem Ort nicht mehr möglich ist.Im Norden der Region ist ein riesiger Thermokarst-Krater entstanden – anderthalb Kilometer breit und fast 100 Meter tief. Dennoch wollen die Menschen nicht aus der Region wegziehen. Denn Jakutien ist nicht nur die weltweit kälteste bewohnte Region, sie ist auch die Heimat des nördlichsten Turkvolks der Welt, der Jakuten. Damit diese Heimat eine Zukunft hat, versuchen Menschen wie der Ingenieur Artjom Nabereschnij, auf dem schwierigen Boden neue Techniken und Bauweisen zu entwickeln, wie und wo überhaupt noch sicher gebaut werden kann.Wie schaffen es die Menschen, sich auf die Veränderungen in ihrer Heimat einzustellen? Hat Jakutien eine Zukunft? (Text: arte)

Hongkong war bis vor Kurzem ein Ort der Freiheit in Asien. Heute symbolisiert die chinesische Sonderverwaltungszone in den Augen vieler Beobachter den globalen Kampf zwischen demokratischen und autoritären Systemen. Spätestens seit im Juli ein kontroverses Sicherheitsgesetz für Hongkong in Kraft getreten ist, sind die Aktivisten Nathan Law, Finn Lau, Simon Cheng und Jim Wong gewissermaßen zu Staatsfeinden erklärt worden.Sie alle mussten ihre Heimat deshalb Hals über Kopf verlassen. Aus Sicherheitsgründen konnten sie sich weder von Freunden noch von der Familie verabschieden und flüchteten in den sicheren Hafen der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien. Aus der Ferne tun sie das, wofür ihre Kollegen zu Hause im Gefängnis landen würden: Sie sprechen offen über das, was in Hongkong passiert, prangern Missstände an, kritisieren China. Doch selbst hier im vermeintlich freien Europa müssen sie Chinas langen Arm fürchten. Das Resultat: ein Leben in Isolation und mit der ständigen Angst, ihre Liebsten zu Hause in Gefahr zu bringen, selbst angegriffen oder entführt zu werden.“Re:“ begleitet vier Hongkonger und ihren Alltag im Exil. Leben zwischen dem Kampf für die alte Heimat und dem Beginn eines Neuanfangs – all das, während die Welt und Großbritannien ein Virus bekämpfen, dass die sonst so pulsierende Metropole zum Stillstand gebracht hat. (Text: arte)

Sie sind die letzte Hoffnung vieler kinderloser Paare: die Leihmütter in der Ukraine. Denn in Deutschland und vielen anderen europäischen Staaten ist Leihmutterschaft verboten, in der Ukraine hingegen eine Branche, in der Millionen verdient werden. Und für die Wunscheltern fast sogar ein „Schnäppchen“: Anders als in den USA, wo ein Baby 150.000 Euro und mehr kostet, bekommt man es in der Ukraine schon für bedeutend weniger.Wie funktioniert dieses Geschäft mit dem Babyglück? Filmemacherin Bettina Wobst macht sich in der „RE Reportage“ auf den Weg in die Ukraine, besucht eine Fruchtbarkeitsklinik und trifft zwei Leihmütter. Olena, eine 25 Jahre alte Kiewerin, hat sich von dem Geld den Traum von einer eigenen Wohnung erfüllt, für sich und ihren Sohn Nikita und wirbt selbst als Vermittlerin Frauen für den Job an. Die 30-jährige Julia lebt auf dem Land und will endlich mit ihrem Mann und ihrer Tochter aus dem engen Haus der Eltern ausziehen. Gerade außerhalb der Städte gäbe es kaum Arbeit für junge Frauen, sagt sie. Deshalb habe sie schon zweimal als Leihmutter gearbeitet und damit mehr verdient als ihr Mann in mehreren Jahren. Die Reportage beobachtet, wie das Kind, das Julia geboren hat, an die genetischen Eltern Jens und Denise übergeben wird. Das deutsche Paar spricht über seine gescheiterten Versuche, durch künstliche Befruchtung, selbst ein Kind zu bekommen und wie es den Ausweg Leihmutterschaft gefunden hat. Der ukrainische Jurist Sergej Antonov beleuchtet die kritischen Seiten des Geschäftes mit dem Babyglück. (Text: arte)

Die Sportwetten-Branche erlebt einen nie dagewesenen Boom. 2019 wurden allein in Deutschland rund 9,3 Milliarden Euro gesetzt, obwohl Sportwetten formell nicht legal waren. Gleichzeitig stieg die Zahl der Spielsüchtigen. Jetzt soll ein neuer Glücksspielstaatsvertrag für Ordnung sorgen: Online-Sportwetten und Online Casinos werden erlaubt und gleichzeitig sollen Spielsüchtige besser geschützt werden. Sportwetter können auf alles, was in der Sportwelt irgendwo passiert, Geld setzen. Und zwar jederzeit, egal von wo, sie brauchen nur eine Internet-Verbindung. Die ständige Verfügbarkeit über das Handy und die schnelle Abfolge von Ereignissen steigert die Suchtgefahr, sagen Experten. Hinzu kommt die omnipräsente Werbung. Vor allem Fußballstars und Bundesligavereine werben massiv für Sportwetten. Die Reportage begleitet die Glückspieler zu einem Zeitpunkt, an dem sich der Markt komplett verändert. Wer gewinnt bei diesem neuen Gesetz? Die Anbieter von Sportwetten oder die Spieler? (Text: arte)

Für den Bau einer Autobahn sollen 27 Hektar Wald gerodet werden. Um das zu verhindern, bauen mehr als 150 junge Klimaaktivisten aus ganz Europa seit über einem Jahr Baumhäuser und Barrikaden im Dannenröder Forst. So auch die 25jährige Joschik. In ihrem selbstgezimmerten Baumhaus will sie in 20 Metern Höhe auch den Winter über ausharren. Für die Rettung des Klimas ist sie bereit, ins Gefängnis zu gehen. Im benachbarten Städtchen Homberg (Ohm) lebt Barbara Schlemmer. Die ehemalige Lehrerin veranstaltet jeden Sonntag einen Protest-Spaziergang durch den Dannenröder Forst. Als Mitglied der lokalen Grünen steht sie gegen die Vertreter ihrer eigenen Partei in der Landesregierung. Im November eskaliert der Konflikt, 2.000 Polizisten aus elf Bundesländern räumen die Baumhäuser und schützen die Rodungsmaschinen. Es kommt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und Verletzten. Was geschieht mit Joschik und Barbara? (Text: arte)

In Belarus gehen die Menschen seit Monaten für Freiheit auf die Straße. Das bestimmende Thema sind die Proteste gegen Präsident Lukaschenko. Die zweite Welle der Pandemie ist aber auch hier angekommen. Nationale Gegenmaßnahmen gibt es kaum. Eine Frau aus Minsk, die wegen ihres Alters zur Risikogruppe zählt, ist auf ihre Datscha gezogen, um dort den Winter zu verbringen. Das Ansteckungsrisiko in der Großstadt war ihr zu hoch. In Istanbul gefährden die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus ein Wahrzeichen der Stadt: die Straßentiere. Ausgangsbeschränkungen machen es Tierliebhabern schwer, die ca. 300.000 Katzen und Hunde zu füttern. Weil Restaurants schließen mussten, bleiben Essensreste für die Tiere aus. Die Mitarbeiter des Tierschutzvereins Huysuz İhtiyar kochen trotz aller Widrigkeiten Futter für herrenlose Hunde. Almería in Südspanien wird auch „Europas Garten“ genannt. In riesigen Gewächshausanlagen wird Obst und Gemüse für die Supermärkte des Kontinents produziert. Die ohnehin schlechten Arbeits- und Wohnbedingungen der Erntearbeiter verschärfen sich durch Corona noch. Andere Infektionskrankheiten waren schon vor der Pandemie ein Problem. Der Arzt Wladimir Morante von der NGO Médicos del Mundo versucht mit anderen Freiwilligen, die medizinische Grundversorgung für die Arbeiter sicherzustellen. Das 5-Sterne-Hotel De Russie in Rom darf im Corona-Winter 2020 / 2021 kaum ausländische Gäste beherbergen. Ein langjähriger Hotelangestellter kümmert sich um die Zimmer und den Empfang der wenigen verbliebenen Gäste und zeigt, wie anders das Arbeiten in dem Luxushotel durch Corona geworden ist. (Text: arte)

„Frauen kümmern sich zu wenig um ihre Finanzen“, sagt Börsenexpertin Cornelia Frey. Sie bekommen deutlich weniger Rente als Männer. Vielen droht Armut im Alter. Doch dem lässt sich vorbeugen. Mit Mut und Tatkraft kämpfen Frauen gegen die Ungleichheit. Noch sind sie im Nachteil – durch Erziehungszeiten, Teilzeitjobs und geringere Gehälter. Die Folge: 40 Prozent weniger Rente im Vergleich zu Männern in Westdeutschland. Jede Frau aber kann das ändern. Nicole G. nimmt ihre Altersvorsorge jetzt selbst in die Hand. Frisch getrennt, hat die alleinerziehende Mutter eines gleich gelernt: Ein Mann ist keine Altersvorsorge. „Man hat einen Lebensstandard gehabt mit einem Doppelverdiener-Haushalt, der wird so in der Form nicht mehr möglich sein“, sagt die 33-Jährige. Sie arbeitet als Beamtin in Stuttgart – in Teilzeit. Nicole muss rechnen. Und deshalb traut sie sich etwas, das sie vorher nie in Betracht gezogen hätte: Sie kauft Aktien. „Das ist mittlerweile so einfach“, sagt Xenia Borger. „Man kann mit ganz kleinen Beträgen starten und an der Börse investieren.“ Sie muss es wissen, denn sie ist die Vorständin der „Dagobertas“: So nennt sich ihr Frauenfinanzverein, und Nicole ist neu dabei. Für die 81-jährige Antje Kocea ist es zu spät zum Vorsorgen. Doch sie hat nach dem Tod ihres Mannes keine Abstriche an ihrem Lebensstandard machen müssen. Sie hat ihr monatliches Einkommen aufgestockt und ihr Haus zur Rente gemacht. 800 Euro kommen so zusätzlich aufs Konto. Und ausziehen aus ihrem Zuhause musste sie auch nicht. „Das ist so eine tolle Sache“, sagt Kocea. Die Immobilienverrentung funktioniert so: Eine Stiftung kaufte ihr Eigenheim. Dafür erhält sie ein lebenslanges Wohnrecht und – statt einmalig den Marktwert – eine monatliche Rente. Das Haus gehört jetzt der Stiftung. Ein Vorteil: Sie übernimmt die Instandhaltung. Ein Nachteil: Mögliche Erb*innen gehen leer aus. In Frankreich ist dieses Modell weiter verbreitet als bislang in Deutschland. Doch ein Drittel der Immobilienbesitzer

Polen hat eines der strengsten Abtreibungsgesetze in Europa. Schwangerschaftsabbrüche sind nur in drei Fällen erlaubt: bei einer Vergewaltigung, einer gesundheitlichen Gefahr für die Mutter und bei einer Missbildung des Kindes im Mutterleib. Seitdem im Oktober 2020 das Verfassungsgericht den dritten Grund für nichtig erklärt hat, ist es viel schwieriger geworden, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. Deshalb sind viele Frauen wie Inga gezwungen, dafür ins Ausland zu gehen.Trotz landesweiter Proteste fordern zahlreiche konservative und strenggläubige Polen wie der Familienvater Pawel eine weitere Verschärfung des Gesetzes. (Text: arte)

„Ich finde schon, dass manche Fahrräder sehr gequält wirken, naja, sie sprechen halt nicht mit mir, aber ich merke das“, sagt Stephan Röper. Der 53-Jährige ist einer der wenigen Zweiradmechniker-Meister in seiner Heimatstadt Hamburg. Aber Stephan Röper unterscheidet sich nicht nur durch seine profunde Ausbildung von vielen konkurrierenden Fahrradreparateuren. Er fährt in einem ausgemusterten, zur mobilen Werkstatt umgerüsteten Krankenwagen durch Hamburg. Früher hat er die Werkstatt in einem Hamburger Fahrradgeschäft geleitet, das war purer Stress. Heute liebt Stephan die Freiheit bei der Arbeit – und letztere geht ihm nie aus.

„Na klar, hat die Corona-Pandemie zu mehr Aufträgen geführt“, erzählt er. Aber lieber als diese neu gekauften Räder mit ihren ersten kleinen Pannen sind ihm ältere Modelle mit ein paar Schrammen: „Ich habe letztens wieder ein uraltes Fahrrad fahrbar gemacht, und die Kundin war überglücklich, dass alles wieder so läuft, wie sie es gewohnt ist, und das ist mir auch Lohn genug. Es geht nicht immer nur ums Geld.“

Meist ist er gelassen, aber ein Wort treibt seinen Blutdruck hoch: „Basteln“ lehnt er kategorisch ab. „Ich bastele nicht. Ich mache Meisterarbeit! Es gibt keinen Schaden, den ich nicht reparieren kann.“ Aber durchaus Reparaturen, die er ablehnt. Räder mit einem Kaufpreis von unter 200 Euro nimmt Stephan nicht entgegen. „Das ist Schrott ab Werk, unmöglich zum Beispiel die Bremsen richtig einzustellen.“

Das Beste an seinem Beruf sei es, wenn Radfahrer ihm die Geschichte ihres Rades erzählen. Diese Kunden nennen Stephan den „Fahrradflüsterer“. (Text: arte)

In Russland wurde Birkenrinde seit Jahrhunderten als langlebiges, flexibles und vor allem antibakterielles Material zur Herstellung verschiedener Produkte eingesetzt. Die junge Designerin Anastasiya Koshcheeva stammt ursprünglich aus Sibirien und hat die Vielseitigkeit des fast vergessenen Rohstoffs wiederentdeckt. In ihrem Berliner Studio fertigt die 33-Jährige Hocker, Lampen, Aufbewahrungsboxen und Uhrenarmbänder aus Birkenrinde. Mit ihren Kreationen will Koshcheeva der umweltfreundlichen Plastik-Alternative zur Renaissance verhelfen. Die 23-jährige Merit Ulmer studiert Biotechnologie und hat gemeinsam mit elf weiteren Studierenden verschiedener Fachrichtungen ein neues Verfahren zur Papierzellstoffherstellung entwickelt. Der Rohstoff dazu stammt aus Ananasresten, die bei der Ernte in Costa Rica anfallen und normalerweise aufwendig entsorgt werden müssen. Das Ziel: Es sollen weniger Bäume für die Papierherstellung gefällt werden, gleichzeitig sollen die Farmer vor Ort profitieren. Reinigungskraft Ilona Parsch stieß auf der Suche nach einem milden Putzmittel auf die Fähigkeiten der Roten Beete. Monika Meier stolperte im Urlaub über Bällchen aus Seegras und entwickelte aus dem nachwachsenden Rohstoff ein Dämmmaterial mit natürlichem Brand- und Schimmelschutz. Beide haben ihre Ideen zu eigenen Unternehmen ausgebaut. Das Potenzial natürlicher und nachwachsender Rohstoffe ist noch längst nicht ausgeschöpft. Und so bauen erfinderische Menschen mit der Kraft der Natur und vielen Ideen am Fundament für eine nachhaltigere Welt. (Text: arte)

Die „Re:“-Reportage begleitet die Absolventinnen einer Jagdschule in Brandenburg auf ihrem Weg zur Jägerin. Dabei geht es ihnen um mehr als ums reine Jagdfieber. Es treibt sie die Liebe zum Wald, der Schutz des Klimas, und nicht zuletzt die Frage: Woher kommt das Fleisch, das wir essen? Helena ist noch Jagdschülerin. Sie ist 16 Jahre alt und noch vor ihrem Abitur will sie den Jagdschein in der Tasche haben. Einmal im Monat packt sie ihren Rucksack mit Zelt, Schlafsack und warmen Sachen und macht sich auf zum Blockseminar im brandenburgischen Hohen Fläming. Auf dem Stundenplan stehen „Pirschen“, „Die Sprache der Vögel“, „Spurenlesen“ und natürlich auch Waffenkunde und Schießübungen mit Büchse und Flinte. Die Ausbildung spannt sich über ein ganzes Jahr. Der 51-jährige Tim Taeger, ist Wildnispädagoge und selbst Jäger. Er will seinen SchülerInnen beibringen, was er „Respektvoll Jagen“ nennt. Gerade GroßstadtbewohnerInnen aus dem nahen Berlin, fühlen sich von seiner Art, das Wissen über Wild und Wald zu vermitteln, besonders angesprochen. Inzwischen hat sich eine kleine Community von „neuen JägerInnen“ rund um seine Schule etabliert. Am Wochenende kommen ehemalige Absolventinnen und Jäger aus der Gegend und nehmen die SchülerInnen mit zur Jagd. Helena hat in Jungjägerin Lilli Schulte (22), ihre Mentorin gefunden. Gemeinsam sitzen die beiden auf dem Hochsitz, warten und spähen in den stillen Wald, über dem sich langsam die Abendsonne senkt. Später, nach Einbruch der Dunkelheit treffen sich alle JägerInnen wieder in der Jagdschule. Diejenigen, die erfolgreich waren, bringen ihre Beute mit, damit die JagdschülerInnen dabei zusehen können, wie das tote Tier fachmännisch ausgenommen – in Jägersprache „aufgebrochen“ – wird. Die Reportage zeigt eine neue Generation von Jägerinnen – weit entfernt von althergebrachten Klischees von Lodenfilz und Männerbünden. (Text: arte)

Angaben des IWF zu Folge wird die spanische Wirtschaft in diesem Jahr um 12,8% schrumpfen. Besonders hoch ist das Minus beim Tourismus. Das trifft auch Granada in Andalusien hart. Abhängig von den Touristen sind in der Stadt mit der Alhambra unzählige Bereiche: Restaurants, Hotels, Taxifahrer, Stadtführer, der Einzelhandel und die Kultur. Und natürlich Stierkampf und Flamenco. Die traditionellen „Cuevas gitanas“, den traditionellen Höhlen, wo seit Jahrzehnten die bei Touristen beliebten Flamenco-Shows stattfinden, sind hart betroffen vom Ausbleiben der ausländischen Gäste. Auch der Stierkampf und die Stierzucht, ein Wirtschaftszweig, der im Durchschnitt 4,5 Milliarden Euro im Jahr einspielt, mussten harte Einbußen hinnehmen. Im März wurden jegliche Stierkämpfe für vier Monate untersagt. Die Wut der Branche und vieler Andalusier, deren Existenz bedroht ist, wächst. Es ist vor allem die rechtsextreme Partei VOX, die von dieser Wut profitiert. Laut einer Umfrage vom Spanish Institute (DYM), würde VOX bei Wahlen von 13,7% auf knapp 20% steigen. Besonders stark ist die Partei in Andalusien. (Text: arte)

Die Diagnose kam für Laura und ihren Ehemann Tobias völlig überraschend. Innerhalb weniger Monate lag ihre Herzleistung nur noch bei 30 Prozent. Laura liebte es, Sport zu treiben, zu reiten, bergzusteigen. Das Paar wollte gerade mit der Familienplanung starten. Doch ihr Herz würde die Strapaze nicht überstehen. Sie braucht dringend ein neues Organ. Laut dem Deutschen Herzzentrum Berlin schafft es etwa ein Drittel der Patienten auf der Warteliste in Deutschland nicht bis zur Transplantation. Hinzu kommt, dass ein Herz nur die Patienten bekommen, die auf der so genannten High-Urgency-Liste, also mit hoher Dringlichkeit, stehen. Laura müsste es also noch bedeutend schlechter gehen, um gelistet zu werden. Ein Dilemma. Denn dann könnte es zu spät sein. Spenderorgane sind hierzulande rar, ebenso die Bereitschaft, einen Organspendeausweis zu besitzen. Deutschland liegt im Schlussfeld Europas: Auf eine Million Einwohner kommen in Deutschland lediglich elf Organspender, in Spanien sind es 49. Deswegen hat Fritz Diekmann, Experte für Transplantationen, die Charité Berlin verlassen und arbeitet seit zehn Jahren an der Uniklinik Barcelona. Dort gehört die Organspende zur Versorgung des Patienten im Übergang vom Leben zum Tod selbstverständlich dazu. Sie ist im System verankert. Anders als in Deutschland gilt hier, dass jede Person automatisch ein potenzieller Organspender ist, die zu Lebzeiten nicht aktiv widersprochen hat oder deren Angehörige nicht ausdrücklich widersprechen. Laura durchlebt eine ungewisse, belastende und kräftezehrende Zeit, immer mit der Hoffnung, noch rechtzeitig ein Spenderherz zu erhalten und zu überleben. Dabei ist ihre Familie stets an ihrer Seite. (Text: arte)

Während in anderen europäischen Ländern die Regelungen weniger streng sind, ist dem Skitourismus in Deutschland der Riegel vorgeschoben. Die beiden größten Wintertourismusorte Bayerns leiden besonders unter dem Lockdown. Allein in Oberstdorf sind 7.000 von 10.000 Einwohnern vom Tourismus existentiell abhängig. Die Skischule von Konrad Eggensberger kämpft gegen den Konkurs, obwohl alle von der Politik verlangten Hygienekonzepte vorbildlich umgesetzt wurden. Saisonarbeiter werden nicht von der Kurzarbeitsregelung erfasst und stehen vor dem Ruin. Auch Martina Simon, die Wirtin des Wankhauses, ist frustriert. Aus dem Traumberuf ist seit Corona ein ständiger Kampf geworden. Jetzt, da eigentlich Hochsaison wäre, darf die Wirtin nur to Go verkaufen. Die Regeln sind schwer umsetzbar und die Gäste unzufrieden. Viele Besucher bringen ihr eigenes Essen mit, lassen nur ihren Abfall am Berg und müssen trotzdem ständig beaufsichtigt werden. Hilft der lahmgelegte Skitourismus wenigstens der Natur – oder sorgen die vermehrten Skitourengeher für neue Gefahren? Für mehr Abfall in den Bergen? Und für mehr Einsätze der Bergwacht, da mehr und unerfahrenere Tourengänger unterwegs sind als in den Jahren zuvor? Kann sich das Wild erholen oder wird es von den Tourengehern auch noch aus seinen letzten Schlupflöchern verjagt? Alle Hoffnungen sind nun auf die Aufhebung des Lockdowns am 10. Januar gerichtet. Doch wird dies überhaupt geschehen, oder fällt die Saison dieses Jahr ganz aus? Die Autoren Kathrin Denk und Thomas Hauswald begleiten die Oberstdorfer und Garmisch-Partenkirchner durch Höhen und Tiefen. (Text: arte)

Es dauerte zwölf Minuten, dann waren neun Menschenleben ausgelöscht. Serpil verlor bei dem rassistischen Anschlag in Hanau ihren ältesten Sohn. Aber der Alltag muss weitergehen, ihr kleiner Sohn braucht sie. Er fragt sich, ob er nun kein richtiger Deutscher ist und immer Angst haben muss? Serpil muss etwas tun, um die Trauer, das Entsetzen, die Wut zu verarbeiten – sie geht in Hanauer Schulen, um die Kinder gegen Rassismus stark zu machen.Piter ist gerade 19 und überlebte, neben ihm starben seine Freunde. Die Schüsse des Täters verfehlten ihn nur um Zentimeter. Iulia und Niculescu Paun trauern um ihren einzigen Sohn Vili – aber sie setzen alles daran, sein Andenken in der Stadt zu bewahren, denn der junge Rom versuchte, den Mörder aufzuhalten. (Text: arte)

Der 11. November ist in Polen ein Nationalfeiertag, an dem das Land der Wiedererlangung seiner Unabhängigkeit im Jahr 1918 nach mehr als einem Jahrhundert der Aufteilung zwischen Russland, Österreich und Preußen gedenkt.

Mit dem jährlichen Aufmarsch ist es den rechtsextremen Organisatoren gelungen, die öffentlichen Wahrnehmung des Gedenktages zu dominieren. Der Unabhängigkeitsmarsch ist eine der der größten Veranstaltungen rechter Gruppierungen in Europa.

Unter den Mitläufern sind auch die „Soldaten Christi“, eine streng katholische, patriotische Organisation. Ihr Gründer Pawel erklärt: „Das Motto „Gott, Ehre, Vaterland“ ist die Essenz dessen, was mit dem Herzen eines Mannes passiert, wenn er seinen Fokus auf den Herrgott richtet“.

Doch dieses Jahr fällt der Marsch in unruhige Zeiten: Hunderttausende protestieren trotz Pandemie gegen eine Verschärfung des Abtreibungsrechts. Wie Mical, der früher selbst Mitglied in einer rechtsextremen Partei war und nach seinem Outing mit seinem Freund heute für ein liberaleres Polen demonstriert.

Pawel bereiten diese Entwicklungen große Sorgen: „Ich weiß nicht, wie wir unsere Kinder in einem Land erziehen sollen, in dem Abtreibungen legal sein werden und in dem die Bewegung der Lesben und Schwulen grassiert.“ Mit diesen Sorgen ist er nicht alleine. Polens Rechte fühlen sich von den liberalen Protesten herausgefordert. Mit dem Marsch wollen sie in dieser Situation Stärke demonstrieren. Die Veranstaltung endet in einer Schlacht. Es gibt 35 Verletzte, mehr als 300 Randalierer werden festgenommen. (Text: arte)

Sechs Wochen lang bekämpften sich im Herbst 2020 armenische und aserbaidschanische Truppen in Bergkarabach. Bereits in den 1990er Jahren wurde um dieses Gebiet gekämpft. Damals siegten die Armenier. Hunderttausende Aserbaidschaner wurden vertrieben. Der armenische Regisseur Aram Shahbazyan war für „Re:“ im Kriegsgebiet unterwegs. Er filmte an der Front, sprach mit den Menschen, die trotz der Kämpfe in den Städten und Dörfern ausharrten und geriet selbst in Bombenangriffe.Tausende Soldaten starben, die Zahl der zivilen Opfer ist nicht genau bekannt. Beide Seiten sollen nach internationalen Beobachtern Kriegsverbrechen begangen haben. Der Hass sitzt tief bei den Menschen. Nach einem von Russland vermittelten Waffenstillstand mussten die Armenier Mitte November viele Gebiete in der von ihnen beanspruchten Region räumen. Das Filmteam wurde Zeuge, wie Armenier ihre Häuser verbrannten und historische Ornamente aus Klostermauern brachen, um nichts den Aserbaidschanern zu überlassen. (Text: arte)

Er gilt in Bulgarien als mystisches Elixier für langes Leben: Joghurt aus den Rhodopen. Damit werden nun auch Milchprodukte der chinesischen Staatsmolkerei Bright Dairy in China beworben. Eine Delegation aus China kam vor neun Jahren und hat sich genau angeschaut, wie Milch und Joghurt in Bulgarien produziert werden.Die Joghurtkultur mit Lactobacillus bulgaricus aus dem kleinen bulgarischen Bergdorf Momchilovtsi hat es den Chinesen besonders angetan. Die haben sie dann mitgenommen und in China mit Milch von chinesischen Kühen den Joghurt einfach kopiert. Seitdem machen sich jedes Jahr mehr Chinesen auf zum Ort des langen Lebens – in das Dorf Momchilovtsi, das sie aus der TV-Werbung kennen.Die Bewohner von Momchilovtsi lernen inzwischen Mandarin und begrüßen die bis zu 8.000 Besucher jährlich aus dem Reich der Mitte mit einem dreitägigen Joghurtfestival im September. Sie hoffen, dass der Joghurt-Boom die Abwanderung stoppt, und planen ein Hotel und ein paar kleine Pensionen für die Besucher, die selbst den Pfad es langen Lebens erkunden wollen.Die Chinesen sind fasziniert von den vielen über 90-jährigen Bewohnern. Doch nicht alle in Momchilovtsi sind vom China-Boom begeistert. Einzelne fürchten, dass der Ort seine Identität verliert, und plädieren für mehr Nachhaltigkeit. Wie gehen die Bewohner mit den chinesischen Touristenmassen um? Und was ist der wahre Grund, dass die Menschen in Momchilovtsi so lange leben? „Re:“ begleitet zwei Bewohner bei den Vorbereitungen auf das alljährliche Joghurtfestival und zeigt, wie sich das Bergdorf verändert. (Text: arte)

Ulf Geisler treibt seine Truppe voran: „Ihr seid zu langsam! Geschwindigkeit ist euer Effekt hier bei der ganzen Geschichte.“ Vor dem Major stehen Menschen in Uniform, die tags zuvor noch als Lehrer gearbeitet haben, als Physikerin, als Handwerker. Jetzt sollen sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen Hinterhalt im Gelände üben. Anschließend geht es zum Häuserkampf. Sie sollen in wenigen Tagen das lernen, wofür Berufssoldaten weitaus mehr Zeit haben. Aber Zeit ist begrenzt, wenn Reservisten ausgebildet werden. Der Zivilberuf lässt oft kaum Freiraum.Ebenso ambitioniert wie die Ausbildung ist das strategische Ziel, das sich die Bundeswehr nun gesetzt hat. Die Zahl verwendungsfähiger Reservisten soll innerhalb weniger Jahre auf das Dreifache wachsen, von derzeit 30.000 auf 90.000. Nur so sei die Landesverteidigung zu gewährleisten. Auch für besondere Situationen wie Katastropheneinsätze oder die Corona-Hilfe muss die Bundeswehr dringend aufstocken.Da der Reservistendienst de facto komplett freiwillig erfolgt, muss die Bundeswehr Frauen und Männer dafür motivieren. Gleichzeitig ist sie angehalten, Leute mit zweifelhafter Motivation abzuschrecken: „Wer da wirklich ein Extremist ist, hat nichts in der Bundeswehr, nichts in der Reserve zu suchen“, sagt Patrick Sensburg, Präsident des Reservistenverbandes. Die Abwehr von Radikalen ist aber nicht einfach, wie ein ehemaliger Neonazi bestätigt, der selbst in der Truppe gedient hat. „ARTE Re:“ hat Frauen und Männer als Reservisten über Wochen hinweg im Manöver und im zivilen Leben begleitet. Geht „Dienen für Deutschland“ auch als Teilzeitjob? (Text: arte)

Landwirt Matthias Obenhack betreibt mit seiner Familie einen Hof in der Mitte Deutschlands. Kühe und Schweine bringen nicht mehr genug ein, er steht kurz vor dem finanziellen Aus. Eine Tierschützerin und ein Agrarökonom kommen ihm zu Hilfe. Julya Günzl und Timo Geuß wollen seine Tiere vor der Schlachtung retten und ihn bei der Umstellung seines Hofes unterstützen. Für den ehemals konventionellen Landwirt Matthias ist hierfür komplettes Umdenken erforderlich. Auch wenn der junge Bauer schon länger ethische Bedenken zur heutigen Nutztierhaltung hat, so muss er sich erst einmal daran gewöhnen, dass Milchkühe, Mastschweine und Legehennen plötzlich ein Leben ganz ohne Nutzen für den Menschen leben dürfen, und dass er seinen Hof nun auf ökologische und rein pflanzliche Landwirtschaft umstellen soll. Finanziert wird dies durch Spenden und Patenschaften, die der Verein „Initiative Lebenstiere“ vermittelt. Landwirte, die wie Matthias in das Programm einsteigen, erhalten monatlich feste Zuwendungen, die es ihnen ermöglichen, ihre Betriebe ohne eine Tiernutzung zu erhalten.Inspiratorin des neuen Weges ist die Schweizer Philosophin Sarah Heiligtag. In der Nähe von Zürich betreibt sie einen Hof und einen Begegnungsort für Menschen, die nach Alternativen zur traditionell geprägten Landwirtschaft suchen. Mehr als 40 Höfe hat die Schweizerin bis heute bei der Umstellung zu einem Lebenshof begleitet. Diese „Transfarmationen“ haben dabei nicht nur das Tierwohl im Blick, sondern suchen ethisch vertretbare Lösungen zu den Themen Klimawandel und Welternährung. (Text: arte)

Die Wissenschaftlerin Natalia Romik sucht in Polen nach Verstecken. Nach jüdischen Verstecken aus der Zeit des Holocaust. Die Zuschauer erleben, wie sie auf einem Friedhof in Warschau den Zugang zu einem Bunker freilegt, in dem bis zu 30 Menschen Zuflucht gefunden haben sollen. In den Karpaten untersucht sie die 650 Jahre alte Eiche „Jósef“, die die Rückseite der 100-Zloty-Note schmückte. Im Hohlraum der Eiche sollen zwei Brüder die schreckliche Zeit des Holocaust überlebt haben. Bei den Recherchen dazu ist sie auf einen anderen Aspekt der Verfolgung gestoßen: Die Verstecke sind quasi unsichtbare Monumente des Traumas, aber auch Zeichen des Überlebenswillens und eines von Not geprägten Einfallsreichtums. Natalia Romik betreibt aktiv Erinnerungskultur in einem Land, dessen PiS-Regierung von diesem Teil der Geschichte lieber nichts hören will. (Text: arte)

Tausende Menschen gehen trotz winterlicher Temperaturen und drohender Verhaftungen auf die Straße und protestieren gegen eine Regierung, die sich selbst scheinbar maßlos bereichert und gleichzeitig keine Opposition zulassen will. Nicht nur in Moskau und St. Petersburg, in fast allen Städten Russlands gehen die Leute zu Tausenden auf die Straße. In Städten wie Perm, Irkutsk oder Archangelsk fanden die größten Demonstrationen seit Bestehen der Russischen Föderation statt. Die Demonstranten hoffen auf ein freieres, faireres Russland, in dem Andersdenkende nicht einfach weggesperrt werden.“Re:“ trifft Ksenia – die 18-jährige Studentin steht stellvertretend für die „Generation TikTok“, die nicht nur in den sozialen Netzwerken, sondern auch auf der Straße mit kreativem Protest äußerst präsent ist. „Re:“ trifft Galina, die trotz ihrer Anstellung als Staatsbeamtin gegen ein System ist, das es Angestellten und Arbeitern verbietet, Kritik an der Regierung zu äußern und mit Strafen und Entlassungen droht. Und „Re:“ zeigt, wie Mitarbeiter und Mitstreiter von Alexej Nawalny versuchen, das bestehende repressive System anzugreifen. (Text: arte)

Meine Kinder sollen es einmal besser haben – dieser Wunsch bewog auch Dorel Oprea und Maria Cornienco mit ihren Kindern vor fünf Jahren die rumänische Heimat zu verlassen und in Deutschland ihr Glück zu suchen. Mehr als 230.000 Menschen verließen 2019 Rumänien in Richtung Deutschland. Sie sind damit die größte Zuwanderergruppe. Viele fliehen vor Armut und mangelnden Perspektiven in der alten Heimat. Dorel Oprea und Maria Cornienco schuften für ein besseres Leben. Jeden Morgen stehen sie früh um 4:00 Uhr auf, um im Logistikzentrum von Amazon bei Berlin zu arbeiten. Abends fahren sie oft noch Pizza aus. Eigentlich ist Dorel ausgebildeter Klempner, Maria hat in Rumänien eine Ausbildung als Bauleiterin absolviert. Doch in diesen Berufen, die eigentlich gefragt sind, können sie nicht arbeiten, weil ihre deutschen Sprachkenntnisse unzureichend sind. Für einen Sprachkurs haben sie keine Zeit, sie wollen lieber arbeiten für ihre drei Kinder. Und denen können sie etwas bieten, sagt Maria Cornienco, was in Rumänien so nicht möglich wäre: eine Zukunft. In Bukarest musste die ganze Familie in einem Zimmer unterkommen. In Berlin leben sie in einer eigenen kleinen Wohnung in einem Plattenbau in Berlin Marzahn. Wie schwer es mitunter ist, sich als Fremde zu integrieren, haben die Kinder erlebt. Die 17-jährige Alexandra wurde als „Zigeunerin“ beschimpft, der 13-jährige Ricardo verprügelt, als er neu in die Schule kam. Aber sie wollen in Deutschland bleiben. Alexandra möchte den Beruf der Visagistin lernen und Ricardo einmal als Polizist für Recht und Ordnung sorgen. (Text: arte)

Wer vor Corona Skifahren wollte, ist vorzugsweise in eines der größten Skigebiete Europas gereist, nach Sölden in die Tiroler Alpen. Im Januar wären gewöhnlich 15.000 Touristen täglich hier unterwegs, jetzt sind es knapp 200. Die Einreisebestimmungen mit Quarantänepflicht verschrecken die Gäste aus dem Ausland. Auf den Pisten fahren de facto nur Einheimische Ski.Vier Bergketten weiter führt Paul-Marc Julen, Präsident des örtlichen Tourismusverbandes, durch das Schweizer Skigebiet Zermatt. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein – vor Corona. Internationales Publikum flaniert im Dorfkern – wenngleich mit Mundschutz. Gespeist wird in edlen Lokalen, die hier geöffnet bleiben dürfen, sofern sie zu einem Hotel gehören. Natürlich gilt auch hier an den Skiliften: Lange Schlangen sollen möglichst vermieden werden. Alle Berggasthöfe sind geöffnet, Speisen und Getränke gibt es zum Mitnehmen. Der Schweizer Weg, der die Wirtschaft schonen will, er wird in Zermatt eifrig verteidigt. Wenig wird über die im Vergleich zu den Nachbarländern hohen Corona-Todeszahlen gesprochen.Ganz anders in Frankreich. Wie in Deutschland ist der Ski-Tourismus hier seit Monaten im Lockdown. Viele französische Anwohner des halb in Frankreich, halb in der Schweiz liegenden Skigebietes „Portes du Soleil“ schauen neidisch auf die Schweizer Hänge: Dort tummeln sich Touristen und sorgen für immerhin noch 70 Prozent Auslastung im Vergleich zum Vorjahr. Auf französischer Seite fühlt sich dagegen Bürgermeisters Nicolas Rubin von den politischen Entscheidern in Paris im Stich gelassen. (Text: arte)

Auf der beliebten Ferieninsel ist die Lage vieler Familien dramatisch; die Leute haben wegen der Coronakrise kaum noch Einkünfte, das Arbeitslosengeld läuft vielfach aus oder es gibt erst gar keinen Anspruch.Selbst festangestellte Saisonkräfte konnten im Corona-Sommer kaum Rücklagen bilden, da sie oft in Kurzarbeit waren. Noch dramatischer ist die Situation bei jenen, die keine Festanstellung hatten und nach dem Verlust der Arbeit jetzt auch kein Arbeitslosengeld beziehen. Gabriel Moreno Valls hat im Zuge der Krise seinen Job als Maurer verloren. Der Familienvater konnte die Wohnung nicht mehr bezahlen, wurde geräumt und hat aus der Not heraus eine leerstehende Bankfiliale besetzt. Dort lebt er jetzt mit seiner Frau und den drei kleinen Kindern – ohne fließendes Wasser und mit einer Notbeleuchtung. Auch die alleinstehende Mutter Nieves Massa Sastre verlor in der Krise ihren Job, ihr Einkommen und schließlich ihre Würde: Sie musste ihre Möbel verkaufen und ihre Wertsachen verpfänden – nur um für sich und ihre fünfjährige Tochter Miriam Lebensmittel kaufen zu können. In der verzweifelten Lage hat sich Nieves an „SOS Mamas“ gewandt.“Wo viele die Augen verschließen, um nicht hinzuschauen, kommen wir, um zu helfen“, ist das Motto der Gründerin Ascensión Maestre. Doch in der aktuellen Krise hat der Verein plötzlich statt 4.000 mehr als 10.000 Anfragen nach Hilfe und die Helfer sehen sich einer unlösbaren Aufgabe gegenüber: Im wirtschaftlich härtesten Winter der vergangenen Jahrzehnte gibt es auf Mallorca einfach zu viele Menschen, die Hilfe brauchen. (Text: arte)

Drei Schicksale von Flüchtlingen in den Zeiten des Brexit, sie alle eint der Traum von einem neuen Leben in London: In einem Camp bei Athen verfolgt Fatemeh mit ihrem 2-jährigen Sohn noch immer ihren Plan, seit sie vor ein paar Monaten aus Afghanistan geflohen ist. In London lebt ein Teil ihrer Familie. Sie wollen bald weiter, von Athen nach Calais und von dort aus mit einem Schlauchboot nachts illegal über den Ärmelkanal. Der Iraner Achmed wartet seit sechs Monaten in Calais auf seine Chance, endlich rüber zu machen. Seit fünf Jahren lebt er in Europa, aber er erhielt nirgends legale Papiere. London ist sein Traum. Vor vier Monaten kam Issa mit einem Schlauchboot nach London. Er hat einen Job als Autowäscher gefunden. Sein erster Asylantrag wurde abgelehnt, er hat Widerspruch eingelegt. Alle drei warten auf ihre Chance, aber der Brexit ändert auch alle Gesetze über die Asyl-Verfahren zwischen Brüssel und London, wie, das wird sich noch zeigen… (Text: arte)

Sonja Fischer aus Diepersdorf bei Nürnberg ist Friseurweltmeisterin und geradezu süchtig nach ihrem Beruf. Die Zeit des Lockdowns war für die Fränkin kaum erträglich. Sie hat die Wochen damit verbracht, Wände zu streichen – „Der Pinsel ist nur ein bisschen größer als der zum Haare färben“ – und ihre Gartenhecke zu stutzen, „um wenigstens irgendetwas zu schneiden“.

Für die Wiedereröffnung hat sie sich einiges einfallen lassen: Wer Angst vor einer Ansteckung hat, den erwartet auf der Terrasse ein „Open Hair“-Erlebnis. Und sie öffnet ihren Salon von fünf Uhr morgens bis 22 Uhr. Berlin-Friedrichshain: Obwohl sich Szene-Friseur Thomas Goebel riesig freut, endlich wieder arbeiten zu dürfen, ist er auch verbittert. Anspruch auf Dezemberhilfe haben Deutschlands Friseure nicht, weil sie noch den halben Monat arbeiten konnten. Goebels Klientel: junge, hippe Berliner mit dem Wunsch nach ausgefallenen Haarschnitten. Letztere gibt es auch im Barber-Shop „Hairy Cutter“ auf der Sonnenallee bei Solomon Ciulin. Er erwartet am ersten Öffnungstag riesigen Andrang. Auf den hofft auch Ralph Schwalbach. In seinen Salon in Köln kommen die Leute aus dem Veedel („Viertel) nicht nur für einen Schnitt, sondern auch, um nach Herzenslust zu quatschen – auch mit Maske. Nach wochenlangem Wildwuchs auf – und schlechter Stimmung in – den Köpfen zeigt sich: Deutschlands Haarkünstler*innen bringen nicht nur Frisuren in Form, sondern sind auch Ansprechpartner für Wünsche und Ängste – gerade in Zeiten von Corona. „Re“ taucht in den Mikrokosmos Friseursalon ein – endlich gibt es ihn wieder! (Text: arte)

Als die Ärzte bei Alexis Fleming die unheilbare Krankheit Morbus Crohn diagnostizieren, geben sie der Schottin nicht viel Hoffnung. Doch Aufgeben ist für die 40-Jährige keine Option. Die Krankheit hat ihr mehr gegeben als genommen, sagt Alexis: „Trotz dieser schrecklichen Krankheit und meines geschundenen Körpers habe ich etwas gefunden, das mich jeden Tag aus dem Bett bringt. Etwas, das mir alles bedeutet!

„Alexis nimmt all ihre Kraft zusammen und baut ein Sterbehospiz für Nutztiere auf. Hier lebt sie zusammen mit Legehennen, Schafen und Schweinen, die eigentlich geschlachtet werden sollten. Bei ihr bekommen die Tiere nun das, was jeder im Angesicht des Todes verdient: ein Leben frei von Angst und Schmerz, begleitet von einem Menschen, der sie bedingungslos liebt.2018 findet Alexis ein altes Haus mit großem Grundstück an der schottischen Küste in Kirkcudbright, einem Ort etwa zwei Stunden südlich von Glasgow. Heute ist es das Zuhause von vier Hunden, zwei Ziegen, acht Schafen, sechs Schweinen, 87 Hühnern und einem Hahn. Das Hospiz finanziert Alexis ausschließlich über Spenden. Jeden Monat braucht sie mehrere tausend Pfund, um Futter, Medikamente und Tierärzte bezahlen zu können.Doch die Tiere geben ihr die Energie, um weiterzumachen. Dem Tod so nah zu sein, habe ihre Perspektive auf das Leben radikal verändert. Alexis will sich nicht ihrer Krankheit fügen, sondern einen Ort schaffen, an dem Ausgrenzung keinen Platz hat und Tiere in Frieden und Würden sterben dürfen. (Text: arte)

Laura Gertenbach liebt gutes Fleisch. Aufgewachsen auf einem Bauernhof mit Viehhaltung kennt sie die Abläufe und Herausforderungen der Landwirtschaft genau. Und obwohl sie heute mit nachhaltigen und regionalen Fleischproduzenten arbeitet, hat sie eine andere Mission. Die 32-Jährige hat das erste Zellfleisch-Start-up in Deutschland gegründet. Ihr Ziel: Fleisch aus dem Reagenzglas soll schon bald die Nutztierhaltung wie wir sie kennen überflüssig machen. Schon seit einiger Zeit versucht sie staatliche Unterstützung zu erhalten – ein schwieriges Unterfangen im Schweinefleischland Deutschland. Anderswo in Europa – zum Beispiel in den Niederlanden oder in Belgien – ist man da längst viel weiter. Jan Bredack weiß schon lange, dass er sich auf staatliche Unterstützung nicht verlassen kann, wenn es um vegane Zukunftsvisionen geht. Der 47-Jährige gründete bereits 2011 den ersten veganen Supermarkt in Deutschland. Er weiß, was bei den Konsumenten zieht und ist mittlerweile auch selbst in die Produktion gegangen. Neben pflanzenbasiertem Fleisch stellt er inzwischen in Berlin Käse aus Cashews und Macadamia her. Doch im Oktober entschied das EU-Parlament: Käse-Alternativen dürfen nicht mehr „Käse“ im Produktnamen haben. Doch Jan Bredack will kämpfen. Nicht nur für ihn ist die Betitelung der Alternativprodukte elementar, sondern für eine ganze Reihe von veganen und vegetarischen Start-ups, die in den letzten Jahren in Deutschland entstanden sind. „Mushlabs“ mit Sitz in Berlin und Hamburg ist eines dieser jungen Unternehmen. Der Biologe Mazen Rizk füttert Pilz-Zellen mit Lebensmittelresten. Heraus kommt eine Proteinnahrung, die – aus seiner Sicht – das Zeug dazu hat, Gesundheits-, Klima- und Welternährungsprobleme zu lösen. (Text: arte)

Griechenland hat 2006 als letztes Land der Europäischen Union die Feuerbestattung gesetzlich erlaubt. 13 weitere Jahre mussten noch vergehen, bis das erste – und nach wie vor einzige – Krematorium des Landes in Ritsona nahe Athen in Betrieb gehen konnte. Zu verdanken ist dies Antonis Alakiotis. 24 lange Jahre hat der Präsident der Griechischen Kremationsgesellschaft darum gekämpft, dass sich jeder Grieche, der dies wünscht, in seiner Heimat einäschern lassen kann. Vorher war dies nur im Ausland möglich. Alakiotis’ stärkster Widersacher: Die griechisch-orthodoxe Kirche, die nicht müde wird, die Kremation als Sünde anzuprangern – obwohl immer mehr Friedhöfe an Überfüllung leiden und die Zahl der so genannten „Drei-Jahres-Gräber“ stetig wächst: Im Beisein eines Angehörigen werden die Gebeine des Verstorbenen nach drei Jahren ausgehoben, um Platz für den nächsten Toten zu schaffen – nicht immer ist die Verwesung zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen. Für Alakiotis zutiefst unchristlich, für die griechisch-orthodoxe Kirche akzeptabel. 90 Prozent der Griechen sind orthodox getauft, die allermeisten von ihnen halten am Dogma der Erdbestattung fest – auch Adonis Golfis. Der Bauunternehmer aus Patras ist Vorsitzender eines Kulturvereins und überzeugt, dass das in seiner Stadt geplante Krematorium seine Kultur und Tradition, ja seine Heimat zerstören würde. (Text: arte)

Die Plage bedroht die Existenz von Hunderten Fischern und ihren Familien, die seit Generationen vom Fischfang leben. Es sind einfache Seeleute, die mit kleinen Booten aufs offene Meer hinausfahren und täglich aufs Neue versuchen, den Algenfang zu vermeiden – meist ohne Erfolg. Immer mehr Fischer verkaufen ihr Hab und Gut – und die, die noch da sind, flehen um Unterstützung. Ihre Forderung: dass der spanische Staat auch ihnen – und nicht nur den finanzstarken industriellen Fischereibetrieben – eine Thunfisch-Fangquote zugesteht. Thunfisch gibt es hier genug, und er schwimmt dort, wo die Alge nicht ist: ganz nah an der Wasseroberfläche. Bloß: Fangen dürfen ihn ausschließlich jene Fischer, die sich mit viel Geld eine Fangquote gekauft haben oder die angesichts ihrer guten Kontakte eine solche gratis bekommen haben. Und der Rest? Fühlt sich im Stich gelassen. Wenn nicht ganz schnell etwas passiere, dann gehe man bald endgültig unter, sagen die Männer. Ihre letzte Hoffnung: die Gründung einer Fischer-Vereinigung, die den Protest nach Madrid trägt. Aber die Zeit läuft ihnen davon. (Text: arte)

Oana Gheorghiu und Carmen Uscatu haben ihre gut bezahlten Jobs in der freien Wirtschaft aufgegeben, um krebskranken Kindern in Rumänien bessere Überlebensbedingungen zu ermöglichen. Mit ihrer Organisation „Schenke Leben“ haben sie in den letzten Jahren nur mit Hilfe von Spenden landesweit 22 Krebsstationen renoviert, mehrere sterile Räume für Transplantationen gebaut und zwei mikrobiologische Labors eingerichtet. Hilfe vom Staat: Fehlanzeige. Die beiden Frauen finanzieren ihre Projekte ausschließlich aus Spenden. Unterstützt werden sie von der 37-jährigen Raluca Soaita, die sich als erste Frau in Rumänien auf Architektur im medizinischen Sektor spezialisiert hat. Zu dritt arbeiten sie an ihrem bisher größten Projekt: dem Neubau eines ganzen Krankenhauses in Bukarest. Die Kinderklinik für Onkologie soll das erste Zentrum für Strahlentherapie in ganz Rumänien werden. Dafür haben die Frauen über vier Jahre 30 Millionen Euro an Spenden gesammelt, von 350.000 Privatpersonen und 4.000 Firmen. Der Staat beteiligt sich mit keinem Cent an dem Krankenhaus-Neubau. Durch ihr privates Engagement wollen die Frauen vor allem eines erreichen: grundlegende Reformen im maroden Gesundheitssystem Rumäniens. (Text: arte)

Es ist ein Konflikt David gegen Goliath – Schedrub Ling, ein einzigartiges buddhistisches Zentrum im Ural soll den Interessen von EVRAZ weichen, einem der größten Stahlproduzenten der Welt. Der Konzern will den Berg, auf dem der buddhistische Tempelkomplex steht, für den Erzabbau erschließen. Die Buddhisten aber leisten zivilen Widerstand gegen den Global Player und die enge Verflechtung zwischen Wirtschaft und Staat in Russland. Die Bewahrung eines spirituellen Ortes und eines einzigartigen ökologischen Lebensraums steht wirtschaftlichem Profit und dem Erhalt von Arbeitsplätzen gegenüber. (Text: arte)

Fossile Brennstoffe sind absolute Klimakiller, belegen dennoch beim Beheizen von privaten und öffentlichen Gebäuden immer noch den ersten Platz. Dabei gibt es klimafreundliche Alternativen. Die Seethermie zum Beispiel. Sie ist eine noch junge Art der Energiegewinnung und wird derzeit vor allem in der Schweiz erforscht und getestet. Die Methode hat viel Potenzial, denn Seen sind riesige, schier unerschöpfliche Wärmespeicher. Das bisher größte Seethermie-Projekt des Landes geht seit Anfang 2021 in Luzern nach und nach ans Netz. „Es ist nachhaltige Energie“, sagt der betreuende Ingenieur Beat Dellenbach. „Wir zerstören unseren Planeten damit nicht. Wir müssen sie nicht um die halbe Welt verschiffen, um sie dann nutzen zu können (…), so sieht die Energiezukunft aus.“ In Paris wird zum Heizen Energie genutzt, die in der Stadt sowieso schon vorhanden ist: die Abwärme von Computern. Warum Serverräume und Rechenzentren unter hohem Energieaufwand kühlen, wenn die Wärme doch zum Heizen genutzt werden kann? Das dachten sich die Entwickler*innen des Start-ups Qarnot. Sie bauen jetzt Heizkörper, in denen Computer stecken. Die Rechenleistung verkaufen sie an Firmen, die statt in großen Serverräumen dezentral rechnen lassen. Die Heizkörper wiederum sorgen für Wärme in Privathaushalten – und das ganz ohne Nebenkosten für die Bewohner*innen, die lediglich in die Anschaffung investieren müssen. So lassen sich jede Menge CO2 und Kosten sparen. Die schnellste Methode, um CO2 einzusparen, ist, die Raumtemperatur zu reduzieren und nur dann hoch zu heizen, wenn Räume auch wirklich genutzt werden. Gerade in öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Behörden steckt hier ein riesiges Potenzial. An der Gemeinschaftsschule in Bad Segeberg setzen sie dabei auf die Hilfe von künstlicher Intelligenz. Smarte Thermostate erkennen, wann Klassenzimmer belegt sind und geheizt werden müssen. Wer schon beim Bauen aufs richtige Material setzt, kann langfristig sparen. In Südtirol hat Baustoffhersteller Werne

Kneipenwirte, Prostituierte, Kulturschaffende – die St. Paulianer suchen nach Strategien, um den Lockdown durchzustehen. Die Reeperbahn empfängt jährlich rund 25 Millionen Besucher. Jetzt dominiert gespenstische Stille.“Die Situation ist besorgniserregend“, sagt Quartiersmanager Lars Schütze, „viele Betreiber warten immer noch auf Corona-Unterstützungen aus dem letzten Jahr, und die privaten Reserven sind aufgebraucht“.Die Notlage hat die Kneipenwirte enger zusammenrücken lassen. „Das ist das einzig Positive, dass ich dieser Zeit abgewinnen kann“, meint Barbesitzerin Michaela Hensel. Mit der Aktion „Laut und hell statt unbürokratisch und schnell“ wollen sie jetzt auf sich aufmerksam machen. Jeden Samstagabend schalten die Bars Musik und Beleuchtung ein, ohne Gäste. „Es tut gut, wieder Leben auf den Kiez zu bringen. Endlich nehmen wir die Sache selbst in die Hand. Wenn sie uns sterben lassen, verliert St. Pauli sein Herz.“Während Christian Schnell, Betreiber von Susis Showbar, jetzt Table Dance im Internet statt auf der Bühne anbietet, versuchen die Prostituierten aus der Herbertstraße, ihre finanzielle Not mit den Einnahmen aus einem Kunstprojekt zu mildern, das sie selbst ins Leben gerufen haben. Gemeinsam mit einer Streetart-Künstlerin sind Ölgemälde entstanden, die jetzt in den verwaisten Fenstern der Herbertstraße ausgestellt werden.Burlesque-Tänzerin Eve Champagne probt für Auftritte, ohne zu wissen, ob sie dieses Jahr überhaupt wieder auf die Bühne darf. Um die unfreiwillige Pause wirtschaftlich zu überstehen, hält sie sich mit einem Job im Impfzentrum über Wasser. (Text: arte)

So viele und schwere Karpfen wie möglich zu angeln – darum geht es beim „International Balaton Carp Cup“, dem größten Karpfenangel-Wettbewerb der Welt. 2020 wird er zum sechsten Mal am ungarischen Balaton ausgetragen. Über 200 Mannschaften reisen aus aller Herren Länder an, um eine Woche lang am größten Binnensee Mitteleuropas um die Wette zu angeln. Dem Gesamtsieger winken 30.000 Euro. Doch die Regeln sind streng. Oberste Prämisse: Alle Fische werden unversehrt wieder freigelassen.Robert Schaffer und Sebastian Heinz aus Dresden sind zum vierten Mal dabei. In diesem Jahr treten die beiden Deutschen gemeinsam mit ihrem ungarischen Angelfreund Norbert Szeli an. Wie alle träumen auch sie vom Sieg. Doch die Konkurrenz ist stark und die Gewinnchancen hängen sehr von den natürlichen Gegebenheiten des Angelplatzes ab. Der wird per Losverfahren zugeteilt. Die fischreichen Tiefen befinden sich oft erst viele hundert Meter vom Ufer entfernt und nicht überall tummeln sich Karpfen, die zu den kampfstärksten Süßwasserfischen Europas zählen. Sie dennoch in diesem Riesensee zu ködern ist eine Wissenschaft für sich.Seit 2013 setzt Ungarn darauf, den Balaton für den Angeltourismus zu entwickeln. Jedes Jahr werden 300 Tonnen Karpfen im Plattensee angesiedelt – allein für die Angler. Und Ungarn hofft auf noch mehr Angelgäste, vor allem aus dem Ausland. Sportevents wie der „International Balaton Carp Cup“ sind daher sehr willkommen, weil sie helfen, den See bekannter zu machen. (Text: arte)

Paula Monfeld muss jeden Tag anstrengende Muskelübungen machen. Sonst verschlechtert sich ihre Krankheit: Infantile Cerebralparese. Die 14-Jährige wünscht sich, die Übungen endlich mit Freude und ohne fremde Hilfe machen zu können. Dabei wollen ihr Britta Karn und Thomas Immich helfen. Sie sind keine Ärzte, sondern Spieleentwickler, sie wollen Paula von innen heraus motivieren.Das kann nicht nur bei Jugendlichen wie Paula, sondern auch im Operationsaal funktionieren. Bevor Chirurgen in Zukunft Hand an ihre Patienten legen, sollen sie erst mal am Handy üben und die Operationen bis ins kleinste Detail durchspielen. Das ist die Vision von Stefan Vilsmeier, dem Gründer einer großen Medizintechnikfirma. Mit Spielen für Ärzte will er den „Zugang zu adäquater Gesundheitsversorgung und Training demokratisieren“.Eine dänische Schule arbeitet mit Rollenspielen. So lebt die Deutschlehrerin Iris Sanders mit ihren Schülern zum Beispiel eine ganze Woche in der DDR. Sie bauen die Mauer, sind Stasi-Offiziere oder Systemkritiker. Manche flüchten sogar und demonstrieren für Freiheit und Wiedervereinigung. „Wenn man eine Sache lernt, dann lernt man am besten, wenn Gefühle mit dabei sind“, das ist Iris Sanders Credo.Aber funktioniert das auch im Arbeitsleben? Der Belgier Jelmen Lombarts will das mit einem Gabelstaplersimulator beweisen. Online-Handel und Logistik wachsen rasant, überall müssen schnell viele Staplerfahrer angelernt werden. Unfälle häufen sich. Training am Simulator kann da helfen. Aber kann Jelmen Lombarts auch einen großen deutschen Gabelstapler-Hersteller davon überzeugen? (Text: arte)

Die Gründe für das Ladensterben sind vielfältig: Überangebot, teure Mieten, zu wenig Kunden, Nachfolgersorgen und der Online-Handel. Und für viele Unternehmen ist Corona der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.So wie für Herbert Riepl und Claudia Koller. Sie müssen ihren Schuhladen im beschaulichen Touristenort Schliersee in Bayern schließen, den ihr Großvater vor 90 Jahren eröffnet hat. Vater Herbert Senior und Mutter Margot wohnen immer noch im gleichen Haus über dem Laden. Lange haben sich die Kinder die Entscheidung schwer gemacht und alles versucht, um die Ladenschließung zu verhindern. Doch die Umsätze wurden immer geringer. Corona war letztendlich der Todesstoß. Daniel Ohr versucht Ladenschließungen zu verhindern. Der Unternehmensberater ist europaweit im Einsatz und entwickelt Konzepte gegen den Leerstand. Er ist überzeugt: Die Menschen möchten auch weiterhin gerne in Geschäften kaufen, denn das klassische Einkaufserlebnis, das gibt es nur vor Ort. Dazu muss man den Leuten aber etwas bieten, ist sich Ohr sicher. So wie ein Kaufhaus in Osnabrück, in dem Ohr als Berater tätig ist: Hier ist vor einigen Jahren eine Indoor-Surfwelle entstanden.Daniel Solzers tägliches Brot hingegen ist die Geschäftsaufgabe. Er ist professioneller Räumungsverkäufer. Mit schwerem Gerät, bunten Rabattschildern, tatkräftigem Einsatz und viel Empathie rücken die Räumungsverkäufer an und holen für ihre Kunden das Beste beim letzten Geschäft raus. Aktuell sind sie im Modehaus von Günther Schwarte im Einsatz. Schwarte hat keinen Nachfolger für sein Geschäft in Steinfurt in Nordrhein-Westfalen. Auch das ist ein großes Problem des Einzelhandels. (Text: arte)

Als der Syrer Muhammed Ende Februar hörte, dass die Grenze zu Griechenland geöffnet sei, zögerte er nicht lange. Zusammen mit seiner Frau Nadera und den sechs Kindern reiste er von Istanbul nach Edirne an die türkisch-griechische Grenze. Die Familie schaffte es fast, über den Grenzfluss Evros zu flüchten. Was dann geschah, kann Muhammed nur unter Tränen erzählen: Die Kinder seien vorausgegangen, doch sobald sie griechischen Boden betraten, hätten griechische Sicherheitskräfte das Feuer auf sie eröffnet. Plötzlich sei seine Frau nicht mehr bei ihm gewesen. Von der Mutter fehlt seither jede Spur.Zurück in Istanbul, trifft Muhammed die Anwältin Esin Bozovali und den ehrenamtlichen Sozialarbeiter Muhammed Sidik Yasar. Sie gehen dem Fall nach und fordern Ermittlungen. Sidik Yasar war im Februar 2020 bereits vor Ort im Grenzgebiet und kümmerte sich damals um die Flüchtlinge. Viele wurden von griechischen Sicherheitskräften teils mit Gewalt zurückgedrängt. Sidik Yasar macht Griechenland und die Türkei für die Eskalation verantwortlich. Griechenland bestreitet den Einsatz von Gewalt bis heute.Währenddessen hofft die Familie von Nadera in Istanbul noch immer auf Hinweise zu ihrem Verschwinden. Auch in Griechenland wurde Anzeige erstattet, doch die zuständige Staatsanwaltschaft verzögert die Ermittlungen. Der Fall offenbart die fatalen Folgen einer Politik, die Flüchtlinge als politischen Spielball missbraucht. (Text: arte)

Hügelige Landschaften, atemberaubende Panoramen und malerische Siedlungen: Das ist das Hinterland von Italien. Doch immer mehr Dörfer und Kleinstädte sind vom Aussterben bedroht. Fehlende Arbeitsplätze und schlechte Infrastruktur sind die Gründe, warum die Menschen abwandern. 2.500 Ortschaften könnten in den kommenden Jahren völlig verlassen sein. Die Corona-Pandemie bremst diese Entwicklung ab. So hat Familie Vittoria aus Neapel während des strengen Corona-Lockdowns beschlossen, der engen Großstadt den Rücken zu kehren. Mit Sack und Pack sind sie im Herbst 2020 nach Teora in Kampanien umgezogen. Dort hat Bürgermeister Stefano Farina ein „Wiederbevölkerungsprogramm“ aufgelegt: Die Gemeinde zahlt neuen Einwohnern zwei Jahre lang die Miete, wenn deren Kinder in die örtliche Schule gehen. Auch Familie Greenwood ist darum mit ihren vier Kindern jüngst von Manchester nach Teora umgezogen. Gut 30 neue Einwohner aus aller Welt hat die Kleinstadt hinzugewonnen. Ein Erfolg auch für den Fortbestand der Schule im Ort.

700 Kilometer weiter südlich: Für einen Euro verkauft die Gemeinde Mussomeli, Sizilien, verlassene Häuser in der historischen Altstadt. Auch dort steht die Hälfte aller Gebäude leer. Die Initiative ist so erfolgreich, dass eigens eine Agentur gegründet werden musste. Sarah Cooper und ihr Mann aus Malta lassen sich von der Agentin Valeria Sorce durch die charmante Altstadt führen. Die Käufer müssen ihr Haus innerhalb von drei Jahren renovieren. Sie sind aber nicht verpflichtet, ihren Wohnsitz nach Italien zu verlegen. In Mussomeli geht es darum, den maroden Stadtkern zu retten. (Text: arte)

Michael Uckelmann ist einer der wenigen Schweinebauern, der noch offen über seine Arbeit spricht. In seinen großen Stallanlagen stehen rund 500 Sauen, die jedes Jahr etwa 15.000 Ferkel zur Welt bringen. Er und seine Kollegen geraten jedoch immer wieder in die Kritik. Tierschützer wie Johannes von Animal Rights Watch beklagen die Art und Weise, wie die Schweine hier gehalten werden. In engen Metallboxen, sogenannten Kastenständen, müssen sie zum Teil über mehrere Wochen leben. Um auf das Leid der Tiere aufmerksam zu machen, steigen die Tierschützer nachts in Ställe ein und machen Aufnahmen von den dort herrschenden Zuständen. Doch es gibt Alternativen, wo schon jetzt die Schweine mehr Freiheit haben. Anja Koch besitzt in Brandenburg einen kleinen Betrieb mit Freilandschweinen. Bei ihr leben die Tiere unter freiem Himmel. Enge Kastenstände gibt es hier nicht. Ein Modell für die Zukunft? Michael Uckelmann fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt, da er sich an geltende Gesetze hält. Doch die werden nun geändert. In den kommenden 15 Jahren müssen die Kastenstände aus den Schweineställen in Deutschland verschwinden. Die Tiere sollen mehr Platz erhalten. Michael Uckelmann und all die anderen Schweinebauern müssten dafür in den kommenden Jahren teure Umbaumaßnahmen in ihren Ställen in Angriff nehmen. Hinzu kommt: Durch die Corona-Pandemie und durch die Afrikanische Schweinepest, die sich in Deutschland gerade ausbreitet, sinkt für die Bauern der Preis für Schweinefleisch. Die Existenzen vieler Bauern sind in Gefahr. Wie wird sich die Schweinezucht in Deutschland verändern? (Text: arte)

Das Verfahren gegen die ’Ndrangheta, das Mitte Januar in Lamezia Terme in Kalabrien begonnen hat, gilt als das größte seiner Art seit den „maxi processi“ Mitte der 80er-Jahre. Den entscheidenden Schlag gegen die mächtigste und gefährlichste Mafia Europas leitete Generalstaatsanwalt Nicola Gratteri, der selbst seit 30 Jahren unter ständigem Polizeischutz steht: In koordinierten Razzien wurden Ende 2019 mehr als 350 Personen festgenommen, Unternehmen geschlossen, Gelder beschlagnahmt.Hauptangeklagt ist der Mancuso-Clan, der seit mehreren Jahrzehnten die Region Vibo Valentia beherrscht und eine entscheidende Rolle beim Kokainschmuggel aus Südamerika spielt. Dass auch Waffenhandel, Geldwäsche, Erpressung und Mord zum Tagesgeschäft der mit 55 Milliarden Euro Jahresumsatz mächtigsten Mafia-Organisation gehören, bezeugt im Film ein Aussteiger, der bei den Dreharbeiten anonym bleiben muss, da er um sein Leben fürchtet. Auch Familienangehörige von Opfern der ’Ndrangheta, wie Vincenzo Chindamo, beobachten den Prozess mit großem Interesse. Die Leiche seiner Schwester Maria wurde nie gefunden. Durch die Aussage eines Kronzeugen erfuhr die Familie, dass anscheinend ein Mitglied der ’Ndrangheta sie ermordete, weil sie sich weigerte, ihr Grundstück zu verkaufen. Der Journalist Michele Albanese, der seit Jahren über die Verbrechen der Mafia in Kalabrien berichtet und dafür sein Leben riskiert, hofft ebenfalls, dass dieser Prozess ein Meilenstein im Kampf gegen die ’Ndrangehta wird. (Text: arte)

Mit sechs Bussen sind sie angereist, Kosovo-Albaner aus dem deutschen Exil. Sie wollen in ihrer Heimat an der Parlamentswahl teilnehmen. Die meisten haben sich in Deutschland eine Existenz aufgebaut, fühlen sich aber dem Kosovo tief verbunden. Einer von ihnen: Osman Maliqi. Als Kind floh er mit seinen Eltern vor dem Krieg aus dem Kosovo. Heute ist er Architekt in Bielefeld. Viele seiner Familienangehörigen leben aber noch in dem kleinen Balkanstaat, wo die Massaker des Krieges und die politischen Morde in der Zeit danach tiefe Wunden hinterlassen haben. Korruption und Misswirtschaft bestimmen das Leben in dem armen Land. Diaspora-Kosovaren wie Osman Maliqi versuchen ihren Einfluss geltend zu machen, damit es den Menschen im Kosovo endlich bessergeht. In diesem Jahr, so hofft er, könnte die Parlamentswahl einen Neuanfang für das Land herbeiführen. Genau diesen hat sich die junge Partei „Vetevendosje“ auf ihre Fahnen geschrieben. Saranda Bogujevci ist eine ihrer populärsten Vertreterinnen. Das Schicksal der Künstlerin steht für das Leiden des Landes: Im März 1999 hat sie als 13-Jährige ein von Serben verübtes Massaker überlebt, bei dem fast ihre ganze Familie umgebracht wurde. Wie durch ein Wunder blieb sie am Leben, mit 16 Kugeln im Leib. Sie ging ins Ausland, kehrte aber wieder in ihre Heimat zurück. Seitdem wirkt sie als Politikerin aktiv an der Reformierung ihres Landes mit.Die Präsenz der Diaspora-Kosovaren vermittelt ein klein wenig Hoffnung, doch auch sie haben kein Allheilmittel für die vielen Probleme des Landes. (Text: arte)

Die Ende Januar in Tunesien eskalierten Proteste zeigen, wie verzweifelt viele junge Tunesier sind. Der arabische Frühling ist aus Sicht der Jugend gescheitert, Korruption und Willkür bestimmen den Alltag. Die Folge: jedes Jahr machen sich Tausende auf den Weg nach Europa. Allein 2020 kamen über 12.000 Tunesier auf Lampedusa und Sizilien an. Die durch Corona ausgelöste Krise wird 2021 noch mehr Menschen in die Boote treiben. Doch nicht nur Europa ist das Ziel perspektivloser junger Tunesier. Mehrere tausend sind nach Syrien und Libyen gegangen und kämpfen dort für islamistische Terrorgruppen wie den IS. Zuvor wurden sie in Tunesien radikalisiert. Ebenso wie Brahim Aissaoui, der Attentäter von Nizza und auch Anis Amri, der 2016 in Berlin zwölf Menschen auf einem Weihnachtsmarkt ermordete. Die Behörden sind sich des Problems bewusst. Es gelten die sogenannten „S17“-Anordnungen, mit denen die Regierung verhindern will, dass Tunesier sich im Ausland bewaffneten Gruppen anschließen oder Terrorakte begehen.Wer unter Verdacht gerät, muss mit harten Einschränkungen leben, findet kaum noch eine Wohnung oder Arbeit und steht permanent mit einem Bein im Gefängnis. Eine Stigmatisierung, die viele junge Leute in Tunesien erst recht in die Arme der Radikalen treibt. Die Lebensläufe der vier tunesischen Attentäter, die in Europa in den vergangenen Jahren Anschläge verübt haben, gleichen sich: Sie erlitten Polizeigewalt, es folgten der soziale Abstieg, Familienprobleme und schließlich die Anwerbung durch eine radikale Gruppe. Tunesiens verlorene Generation – eine Gefahr auch für Europa? (Text: arte)

Während die Corona-Pandemie den Einzelhandel in Europa zu Schließungen zwingt, ist der Online-Handel der große Gewinner der Krise. Amazon-Gründer Jeff Bezos ist der reichste Mensch der Welt. Der Konzern plant in Frankreich eine Verdopplung der Lagerfläche mit dem Bau von acht bis elf neuen Warenlagern.Jeder dritte Franzose ist Amazon-Kunde, gleichzeitig aber ist der Global Player vielen ein Dorn im Auge: Amazon bezahle kaum Steuern in Frankreich, so lautet der Vorwurf. Der Konzern vernichte Arbeitsplätze im Einzelhandel, die Angestellten müssten im Akkord arbeiten. Zudem verführe der Online-Versandhandel zu unnützem Konsum und habe eine vernichtende Ökobilanz.In Südfrankreich, in der Nähe des berühmten römischen Aquädukts Pont du Gard, soll ein neues Logistikzentrum und mit ihm 160 Arbeitsplätze entstehen. Es regt sich Widerstand. Für ein paar prekäre Arbeitsplätze die Sicht auf das Weltkulturdenkmal opfern, obwohl die ganze Region vom Tourismus lebt? Patrick Genay ist Imker, und noch fliegen seine Bienen dort, wo das Lager gebaut werden soll. Kommt Amazon, können die Bienen nicht bleiben. Aber auch die Touristen blieben dann womöglich weg, so befürchtet es der Imker. Doch es gibt auch Stimmen, die das Modell Amazon verteidigen: Der Online-Handel sei ein absolutes Zukunftsmodell, das in einem post-industriellem Land neue Arbeitsplätze schafft.Mittlerweile diskutiert die gesamte Grande Nation über die Vor- und Nachteile, die der Bau der Amazon-Warenlager mit sich bringen. Welche Zukunft will das Land? (Text: arte)

Die Landwirtschaft und insbesondere die Viehhaltung stoßen in den Niederlanden doppelt so viel Stickstoff aus wie der Verkehr und die Industrie zusammen. Kein Wunder, denn die Niederlande sind nach den USA der weltweit zweitgrößte Exporteur von Agrarprodukten, obwohl die Vereinigten Staaten flächenmäßig dreihundertmal so groß sind.In dem kleinen Land gibt es rund vier Millionen Rinder, zwölf Millionen Schweine und 100 Millionen Hühner. In vielen Ställen leben tausende Tiere.In der Region Brabant, im Süden des Landes, ist die Stickstoffbelastung am größten, denn hier produzieren sechs Millionen Schweine Gülle. Ein Mastbetrieb reiht sich an den nächsten. Einen von ihnen besitzen Eric und Chantalle Reijrink mit 2.400 Mastschweinen und 240 Sauen. Aber der Betrieb rechnet sich für das Ehepaar nicht mehr – sie geben auf und verkaufen ihren Hof an den Staat. Die niederländische Regierung kauft in der Region hunderte Höfe auf, um dem Stickstoffproblem irgendwie Herr zu werden. Rund 500 andere Schweinebauern in Brabant gehen denselben Weg wie die Reijrinks. Aber sie haben bereits einen Plan für die Zukunft – aus dem Schweinemastbetrieb soll eine Altenpflegeeinrichtung werden.Andere Landwirte sind dagegen kämpferisch und protestieren zu Hunderten mit Traktoren im ganzen Land. So auch Milchviehhalter Thijs Wieggers, der für die Aktionsgruppe „Farmers Defense Force“ Bauernproteste organisiert.Hat die intensive Landwirtschaft noch eine Zukunft in den Niederlanden? (Text: arte)

„Vier lange Monate gab es hier den wohl härtesten Lockdown auf der ganzen Welt“, meint der Sekretär des Bürgermeisters von Saint Georges. Nur eine Stunde am Tag durfte man ins Freie. Saint Georges? Wo liegt denn das? Dieses 4.200-Seelen-Kaff liegt an Europas äußerstem Rand, im Süden von Französisch-Guayana. Und das ist eines jener französischen Überseegebiete, ein koloniales Erbstück sozusagen außerhalb des französischen Festlands.Der Fluss Oyapock bildet die natürliche Grenze. Das französische Saint Georges und das brasilianische Oiapoque liegen sich quasi gegenüber. Das Problem: Das Virus kennt keine Grenzen. Strikte Regeln hier, laxer Umgang dort. Wegen der hohen Infektionszahlen hat Frankreich seine Grenzen wieder geschlossen für Länder außerhalb der EU. Aber Frankreichs Grenzen sind kompliziert. Brasilien beispielsweise ist Hochrisikogebiet. Ein „Corona-Open-Air-Labor“, so nennen Kritiker das Land am Zuckerhut. Präsident Macron und die EU wollen sich abschotten gegen die Mutanten, Präsident Bolsonaro hingegen versucht, das Virus zu ignorieren, tut es als „kleine Grippe“ ab. Mittendrin leben hier die durch das Virus besonders gefährdeten Indigenen, die sich traditionell auf beiden Seiten des Ufers heimisch fühlen und für die diese Grenze eh ein Hirngespinst der Weißen ist. Wie kontrolliert die PAF, der französische Grenzschutz, das? Und wie hat das Virus das Leben an der Grenze zwischen Europa und Südamerika verändert? Wie wirkt sich ein erneuter Lockdown hier aus? Eine Reportage, die zwar das virale Thema dieser Tage behandelt, aber mit einem ungewöhnlichen Blick auf eine meist vergessene Region. (Text: arte)

Barkabystaden in Stockholm ist eines der größten Neubaugebiete Europas. Hier fahren autonome E-Busse. „Am Anfang ist es ein merkwürdiges Gefühl, aber inzwischen fühlen wir uns in den Bussen sicher“, sagt Marjorie Gamboa, die ihren Sohn jeden Tag per E-Bus in den Kindergarten bringt.In Bruchsal starten Chefkonstrukteur Christian Bauer und sein Team den „Volocopter“ zu einem seiner äußerst seltenen Testflüge. Das Unternehmen will alltagstaugliche Flugtaxis in bestehende Verkehrssysteme einbinden. „Und zwar nicht als Spielzeug für Reiche“, so Vorstand Christian Bauer, „sondern für jeden, der Zeit sparen will oder muss.“ Am Ende der Entwicklung sollen Bahnhöfe oder Flughäfen mit dem Lufttaxi genauso gut erreichbar sein wie heute mit einem konventionellen Taxi.Die „Ellen“ ist mit 60 Metern Länge und 13 Metern Breite das derzeit größte und leistungsstärkste vollelektrische Fährschiff. Sie verkehrt zwischen den dänischen Inseln Als und Aeroe. Eine Batterieladung reicht für die 40 Kilometer lange Strecke. Im Alltagsbetrieb beweist die „Ellen“, dass es schon heute möglich ist, im Fährbetrieb ohne Schiffsdiesel auszukommen. Und auch manche „alte Lösungen“ haben Potential für die Zukunft: Die „Bentheimer Eisenbahn“ in Niedersachsen ist ein Erfolgsmodell einer reaktivierten Strecke. Seit 1974 war die Verbindung für den Personenverkehr stillgelegt. Aber Unternehmen und die lokale Politik schafften es, die Strecke erfolgreich wieder in Betrieb zu nehmen. In Deutschland gibt es jede Menge Potential, stillgelegte Schienenstrecken in den Verkehr der Zukunft mit einzubinden. (Text: arte)

In einer Welt voller grobschlächtiger Typen, Diesel-Dunst und Reifenabrieb sind Truckerinnen mit Schwerlasttransporten noch eine Ausnahme. Ob die Frauen nun selbstbewusst die Genderdebatte ignorieren oder in den sozialen Netzwerken bewusst mit Klischees spielen – fest steht: Ihr Job ist hart – und sie lieben ihn. Besonders schwere und große Lasten werden auf Europas Straßen nur zwischen 22 Uhr und 6 Uhr morgens transportiert. Die Fahrer und Fahrerinnen dürfen höchstens zwei Mal vier Stunden am Steuer sitzen. Danach müssen sie eine neunstündige Ruhepause einlegen. Gehalten werden darf nur an extra dafür ausgewiesenen Autobahnparkplätzen. Die Reportage begleitet zwei Truckerinnen in ihrem Alltag: Iwona Blecharczyk (35) fährt seit zehn Jahren von Polen aus durch ganz Europa.

Seelisch erschöpft – so fühlen sich viele durch die andauernde Corona-Pandemie. Je länger das öffentliche und private Leben heruntergefahren ist, desto größer scheint die Herausforderung, psychisch gesund zu bleiben. Da, wo Vorbelastungen wie eine Depression bestehen, brechen im Lockdown bewährte Strukturen und Bewältigungsstrategien im Alltag ersatzlos weg. Die Rückfallgefahr ist groß. Zwar wurden viele psychiatrische Hotlines ausgebaut und aufgestockt. Doch Therapeuten und psychiatrische Kliniken verweisen behandlungswillige Patienten auf Wartelisten. Es gibt zu viele Hilfesuchende! Seit dem ersten Lockdown leiden auch mehr Frauen mittleren Alters erstmals an psychischen Beschwerden. Zu der allgemeinen nervenzehrenden Pandemie-Situation kommt bei ihnen oft die Mehrfachbelastung durch Haushalt, Home-Office und Home-Schooling. Viele sind am Rande ihrer Kräfte und dort, wo die psychischen Ressourcen schon vor der Pandemie knapp waren, drohen die Frauen unter der Last zusammenzubrechen. Schlafstörungen, Erschöpfungszustände, Antriebslosigkeit, sogar Panikattacken und Suizidgedanken können die Folge sein. Welche Perspektiven haben die Betroffenen? Ist das Gesundheitssystem darauf vorbereitet? Junge Menschen und Familien ringen im zweiten Lockdown um ihre psychische Gesundheit. (Text: arte)

Serbien impft mit allem, was es kriegen kann und hat 15 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft – ein europäischer Spitzenwert. Von den sieben Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern des Landes haben mehr als 1,5 Millionen schon mindestens eine Dosis gespritzt bekommen. Geimpft wird mit Biontech / Pfizer, AstraZeneca, Sputnik V aus Russland und vor allem auch mit Sinopharm aus China. Weil Serbien von der Corona Pandemie besonders stark betroffen ist, versucht die Regierung, ähnlich wie Großbritannien, mit einem massiven Impfprogramm aus den Negativschlagzeilen zu kommen. Sogar Bürger der Nachbarstaaten wurden eingeladen, sich im Land impfen zu lassen. Serbien stärkt damit seine Rolle als einflussreichstes und wichtigstes Land des Balkans. Mirza Vranjakovic (33) lebt und arbeitet seit 7 Jahren in Berlin. Er lehnt die Vucic-Regierung Serbiens ab. Doch nun fliegt er zurück in seine Heimat, weil er im Gegensatz zu Deutschland in Belgrad schnell geimpft wird. Vor dem Belgrader Hauptimpfzentrum reiht er sich in eine lange Schlange ein. Außerhalb der Hauptstadt sind viele mobile Impfteams unterwegs, die die Menschen fernab der Zentren schnell impfen. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, weil das Virus Tag für Tag mehr Opfer fordert. Nicht nur in Belgrad, auch in der Bäderstadt Sokobanja sind die Intensivstationen am Limit, die Inzidenz im Land liegt bei über 500. Trotz der vielen Toten sind sehr viele Menschen unvorsichtig geworden und schützen sich kaum vor Ansteckung. Zahlreiche Impfgegner verharmlosen die Krankheit, warnen vor der Impfung und gefährden damit den Erfolg der Impfkampagne. (Text: arte)

Auf der nordfriesischen Hallig „Nordstrandischmoor“ ragt bei Sturmfluten einzig das Haus von Nommen Kruse aus dem Wasser. Der Rest der flachen Insel ist überflutet. Das war schon immer so – doch nun droht die Hallig für immer im Meer zu versinken. Um seine Heimat zu retten, arbeitet Nommen Kruse gemeinsam mit Forschern der Universität Göttingen an einer ungewöhnlichen Lösung. Bei Flut trotzt er dem Meer Sediment ab, so dass die Hallig wieder wächst.Meeresökologin Brenda Walles möchte Küstenschutz und Naturschutz verbinden. Denn die Errichtung von Flutwehren und Deichen ist oft ein enormer Eingriff in die Natur. Vor der niederländischen Nordseeküste legt sie neue Riffe an, mit Austernbänken. Eine natürliche Maßnahme gegen den Anstieg des Meeresspiegels.Die zerklüftete, flache Atlantikküste der USA ist ähnlich bedroht wie die Ufer der Nordsee. In Norfolk erforscht der deutsche Ozeanograph Sönke Dangendorf, mit welchen Maßnahmen solche Landstriche geschützt werden können. Hilfe kommt aus dem Weltall: „Satellitendaten haben die Meeresspiegelforschung revolutioniert. Weil es das erste Messsystem gewesen ist, was uns Aussagen über den gesamten Ozean gegeben hat.“ Anhand der Daten aus dem Weltall möchte der Forscher genauere Prognosen geben, an welchen Küstenabschnitten der Meeresspiegel durch die Erderwärmung besonders stark steigen wird. (Text: arte)

Norbert Zajacs Tierhandlung in Duisburg wird täglich von tausenden Besuchern gestürmt. Mit über 200.000 Tieren und 3.000 Arten, wird sie im Guinness Buch der Rekorde als größte Tierhandlung der Welt geführt. Zajac ist stolz auf sein Geschäft, legt aber Wert darauf, dass er sich strikt an alle gesetzlichen Bestimmungen hält.Doch andernorts gerät das Wohl vieler Tiere derzeit unter die Räder. Wöchentlich werden Transporte illegal eingeführter Welpen gestoppt, die unter schlechten Bedingungen in Osteuropa, aber auch in Belgien gezüchtet werden. Das zu verhindern, haben sich Tierschützer zur Aufgabe gemacht – öffentlich und „undercover“.Jana Hoger ist als Ermittlerin einer Tierschutzorganisation unterwegs. Sie deckt illegale und tierquälerische Praktiken auf. Jana besucht die berüchtigten „Welpenfarmen“ Belgiens, in denen Hunde als Massenware „wie am Fließband“ gezüchtet werden, und Händler, die illegal Tiere aus Osteuropa verkaufen. Gemeinsam mit einem Berliner Tierschützer lässt Jana Hoger vor der Kamera zwei Deals mit exotischen Tieren auffliegen.Von diesen Machenschaften bekommt Familie Frohloff aus Eisenhüttenstadt nichts mit. Was fehlt ihr noch zum Glück? Ein Hund natürlich! Nach monatelanger Suche wartet ein Vierbeiner im örtlichen Tierheim. Milo stammt aus Rumänien und wurde von Tierrettern hergebracht. Selbst solche Hunde, die bislang kaum zu vermitteln waren, finden nun sofort ein neues Zuhause. Wenigstens das ist eine gute Nachricht für die Tierschützerin Jana Hoger. (Text: arte)

Maria war Putzfrau, ihre Tochter arbeitete in einem Restaurant. Nun im Lockdown stehen beide im Schlamm – die Enkelin im Kinderwagen – und kratzen am Flussboden, auf der Suche nach der begehrten Ware. Das Muschelsammeln ist illegal, das Gebiet an der Tejo Mündung steht unter Naturschutz. Und doch kommen täglich mehr Menschen hierher. Jeder mit seiner eigenen Geschichte der Not. Das Geschäft mit den Muscheln boomt. Sie werden nach Italien und Spanien exportiert und gelangen von dort aus in die Supermärkte in ganz Europa. Ein Millionengeschäft. Die Polizei weiß davon, und doch ist es schwer, den Händlern und Zwischenhändlern beizukommen. (Text: arte)

Jasmine und ihr Mann Said verbringen das abendliche Fastenbrechen in Karlsruhe eigentlich immer im großen Kreis mit Freunden oder der Gemeinde. Weil das wegen der Corona-Regeln nicht erlaubt ist, bleibt das Ehepaar nun allein. Noch vor Sonnenaufgang stehen die beiden auf, beten, essen eine Kleinigkeit und trinken vor allem etwas – es ist das letzte Mal bis zum späten Abend. Said führt ein syrisches Restaurant in der Innenstadt und ist den ganzen Tag von Speisen und Düften umgeben. Zugreifen darf er während des Ramadans aber nicht. Trotz Corona soll möglichst viel beim Alten bleiben: Sie bereiten kleine Süßigkeiten für ihre Nachbarn zu und sammeln Gelder für die Tafeln, denn: Ramadan ist auch der Monat der Nächstenliebe und der guten Taten.Istanbul ist der Corona-Hotspot der Türkei. Im Ramadan herrscht eine strikte Ausgangssperre, nur Einkaufen ist erlaubt. Osman Gökrem ist Imam einer kleinen Moschee in der Innenstadt. Trotz Pandemie versucht er, weiter Obdachlosen zu helfen. Die Corona-Krise hat viele in Istanbul in wirtschaftliche Not gestürzt.Yasmine ist in Algier geboren, gläubige Muslima und studiert seit vier Jahren in Paris französische Literatur. Doch seit über einem Jahr ist wegen der Covid-Krise der normale Uni-Betrieb ausgesetzt. Für den Ramadan hatte sie eine Idee: In einer belebten Straße im Osten der Stadt eröffnete sie einen Pop-up-Store für algerische Backspezialitäten. Zwar wird im Ramadan tagsüber gefastet, doch nachts darf schlemmen, wer möchte. Mitten im Ramadan hat Yasmine alle Hände voll zu tun. (Text: arte)

Erbsen sind die ganze Hoffnung von Petr Smeral. Der alleinerziehende Vater kümmert sich um seine schwerstbehinderte Tochter Simonka, inzwischen rund um die Uhr. Seine Karriere als IT-Manager hat er aufgegeben, um bei Simonka sein zu können. Das Geld ist knapp, Hilfe kann er sich kaum leisten. Der letzte freie Tag liegt drei Jahre zurück.Doch Petr Smeral will sich nicht abfinden mit dem scheinbar unabänderlichen Schicksal pflegender Eltern, mit der Wahl zwischen eigenem Kind oder eigenem Leben. „Herásek“ soll helfen, ein selbst erfundener Knabber-Snack aus knusprig frittierten Erbsen. In der eigenen Küche hat Petr Smeral angefangen, nun soll die Produktion im großen Stil starten, als Gemeinschaftsprojekt mit anderen pflegenden Eltern. Dabei geht es nicht nur um dringend benötigtes Geld für die Haushaltskassen, sondern auch um einen Ausweg aus dem Kreislauf der Hoffnungslosigkeit. (Text: arte)

Am 1. Juni 2021 begeht Simbach am Inn in Niederbayern ein trauriges Jubiläum. Sieben Menschen kamen vor fünf Jahren bei einem Jahrhundert-Hochwasser ums Leben. Der Simbach, der der Gemeinde Simbach am Inn in Niederbayern seinen Namen gegeben hat, ist eigentlich nur ein kleines Gewässer, doch Starkregen hatte den Simbach 2016 im Nu anschwellen lassen. Der Ort war von den Wassermassen, dem Treibholz und dem Schlamm, die diese mit sich brachten, regelrecht verwüstet worden. Die Katastrophe hat sich den Einwohnern tief ins Gedächtnis gebrannt. Inzwischen wurde zwar viel Aufbauarbeit geleistet, wichtige Schutz-Maßnahmen wurden angestoßen. Doch die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam und vieles steht bisher nur auf dem Papier. Unterdessen lässt die Angst, dass sich die Katastrophe wiederholen könnte, die Bürger nicht los. Und die Angst ist berechtigt. Experten sagen: Starkregen und Sturzfluten, wie sie Simbach 2016 erlebt hat, werden zunehmen – eine von vielen Folgen des Klimawandels. Ein Filmteam begleitet die Anstrengungen in Simbach und andernorts, solchen Unwetter-Katastrophen vorzubeugen. Und es wird hinterfragt: Sind wir gerüstet? Oder muss mehr für nachhaltigen Hochwasserschutz getan werden? Wie schützt man sich zum Beispiel im benachbarten Österreich, wo man aufgrund von Gletscherschmelze und Wildbächen von jeher Erfahrungen im Umgang mit solchen akuten Wetterereignissen hat? (Text: arte)

Die 77-jährige Barbara Hader erhält heute eine Blutegelbehandlung – am Krankenhaus für Naturheilweisen in München. Sie hat eine schwere Arthritis im rechten Knie. Chefärztin Dr. Michaela Moosburner setzt vier Blutegel an, das kostet Zeit. Nach einigen Minuten beißen die kleinen Tierchen zu und saugen sich voll. Dr. Moosburner weiß: „Mindestens hundert biologische Substanzen sind im Speichel der Tiere enthalten, die wirken schmerzstillend, blutgerinnungs- und entzündungshemmend.“ Den Menschen wieder klarmachen, wieviel Kraft die Natur hat: Das ist Annika Krause und ihrem Partner Thorben Stieler aus Berlin wichtig. Die beiden bieten Kräuterwanderungen in Berlin an, die TeilnehmerInnen erfahren, was in der eigenen Nachbarschaft so wächst und welche Pflanzen gegen welches Leiden wirken. Ebenfalls auf die Natur setzt Professor Uwe Frank. Der Infektiologe untersucht in seinem Labor in Freiburg im Breisgau die keimhemmende Wirkung von natürlichen Stoffen. Gerade forscht er an der Meerrettichpflanze. „Das ist eine Pflanze, deren Wurzel Senföle enthält und die wirken antibakteriell!“ Die Hoffnung von Professor Frank: unwirksam gewordenen Antibiotika durch die Zugabe von senfölhaltigen Stoffen neue Wirksamkeit verleihen. „Re:“ über neue Behandlungen mit alten Heilmethoden und die Wiederentdeckung von traditionellem Wissen. (Text: arte)

Seit Generationen handelt die Familie von Nerys Edwards aus Wales mit Meeresfrüchten. Doch so kompliziert wie seit Anfang des Jahres war das Geschäft noch nie. Ihre Firma kauft bei lokalen Fischern Schalentiere wie Langusten und Hummer an und exportiert sie in die EU, vor allem nach Spanien. Wegen neuer Gesundheitszertifikate verzögern sich Lieferungen des Betriebs zum Teil so stark, dass die lebendig transportierten Meerestiere unterwegs verenden. Jede Lastwagenladung ist 50.000 Pfund Wert, die finanziellen Verluste für ihre Familie und die Fischer sind erheblich. Und die Anspannung ist groß, Nerys Edwards zittert um jeden Transport.Doch Probleme gibt es auch auf dem Kontinent. Der deutsch-britische LkW-Fahrer Colin Francis gerät seit dem Brexit immer wieder in Konflikt mit seinem Zeitplan. Er fährt für eine deutsche Spedition Waren durch den Eurotunnel – in beide Richtungen. Wie viele andere Fahrer, wird er an den neuen Zollstationen in England lange aufgehalten. Wenn Colin Francis morgens in England losfährt, hofft er, abends zu Hause zu sein – anstatt in seinem LKW schlafen zu müssen. Sicher sein kann er sich nicht mehr. Für Touren, die früher einen Tag dauerten, müssen die Spedition und ihre Kunden nun häufig die dreifache Zeit einplanen. Firmengründer wie Edzard van der Wyck aus London zwingt der Brexit zum Umdenken. Seine Firma produziert Kleidung aus neuseeländischer Schafswolle. Seit Januar kostet die Ausfuhr in die EU sogar mehr als in die USA. Nun will er ein neues Verteilzentrum errichten – wie viele andere britische Exporteure auf dem Kontinent. (Text: arte)

Die Coronavirus-Pandemie hat in Europa kaum eine Region wirtschaftlich so hart getroffen wie Spaniens Kanarische Inseln. Kein Wunder, fast jeder lebt hier vom zuletzt so krisengeplagten Fremdenverkehr. Aber: Auch vor Corona ging es vielen Menschen auf den Kanaren nicht gut. Armut, Jugendarbeitslosigkeit, fehlende Perspektiven. Dazu kommt Frust über Bausünden, fragwürdige Infrastrukturprojekte und Umweltverschmutzung. Was also, wenn die aktuelle Krise als Chance genutzt werden könnte? Hin zu einem smarteren Tourismus, näher an den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung, mehr im Einklang mit der Natur?“Wir müssen unsere Wirtschaft diversifizieren und uns breiter aufstellen“, sagt Yaiza Castilla, Ministerin der kanarischen Regionalregierung. Millionenschwere Kampagnen sollen die Inseln im Atlantik für digitale Nomaden und andere Besucherzielgruppen interessant machen.“Nein, wir müssen alles ganz radikal neu denken“, sagt Antonio Santana, der sich neben seiner täglichen Arbeit als Sozialarbeiter für einen grüneren Tourismus engagiert. Auf der kleinen Insel El Hierro will er zeigen, wie man Haien und Walen helfen kann, ohne dabei die Interessen der Menschen aus den Augen zu verlieren.“Wir sollten bei allen neuen Ideen und Projekten nicht vergessen, dass wir hier ohne Massentourismus aufgeschmissen wären“, sagt Tom Smulders, einflussreicher Hotelier auf Gran Canaria. Er und seine Mitstreiter bauen bereits an neuen Mega-Bettenburgen. Drei Menschen, drei Visionen – für die Kanarischen Inseln der Zukunft. (Text: arte)

In Russland existiert das System aus Elite-Schulen der Sowjetzeit fort, in dem junge SportlerInnen gefördert und mit aller Härte trainiert werden, damit auch in Zukunft die besten ArtistInnen aus Moskau, Sankt Petersburg oder Nowosibirsk kommen. Doch Tausende talentierte Jugendliche bleiben auf der Strecke. Denn nur die besten, eifrigsten und talentiertesten Kinder können später zur Primaballerina oder zum Olympioniken werden.“Re:“ begleitet die Kinder auf ihrem Weg – auf der Boris-Eifmann-Ballettschule, wo bereits siebenjährige Kinder den ganzen Tag sich dehnen, tanzen und trainieren, um eines Tages zu den Besten der Welt zu gehören. Hunderte Mädchen und Jungs stehen sich in diesem Elite-Internat als FreundInnen und KonkurrentInnen im täglichen Zusammenleben gegenüber. Und jede Woche gibt es den Wettbewerb, wer die besten Rollen tanzen darf und wer vielleicht doch noch durchs Raster fällt.Und die Zuschauer lernen die 16-jährige Lala Kramarenko kennen, die bereits eine der besten Gymnastinnen Russlands ist und diesem Erfolg ihre komplette Jugend unterordnet. Vom täglichen Drill im Training über strenge Diäten und steten Verzicht. Während Lala als zukünftige Medaillenhoffnung für die Olympischen Spiele gilt, hat ihre Zwillingsschwester die Sport-Karriere bereits im Alter von 14 Jahren an den Nagel gehängt, weil sie den Druck nicht ertragen konnte.Wie viel Sowjetunion steckt auch 2021 noch in Russlands Elite-Sportschulen? Wie hart ist der russische Weg zum Erfolg? (Text: arte)

Lias heißt einer der wenigen Luchse in Baden-Württemberg. Er hält sich meist im Oberen Donautal auf. Forscher haben ihm eine Sendehalsband angelegt, um mehr über sein Verhalten zu erfahren. Armin Hafner, Fachexperte für Wildtiere, ist auf Lias’ Spuren. Während der Paarungszeit im März wandert Lias mehrere hundert Kilometer – auf der Suche nach einem Weibchen. Denn weit und breit gibt es keine. Die Weibchen kommen nicht nach Baden-Württemberg. Eine stabile Population mit Nachkommen kann also nur zustande kommen, wenn weibliche Luchse angesiedelt werden. Doch die Jäger im Land sind dagegen. Ohne neue Luchse aus Süddeutschland könnte aber auch die Zahl der Luchse in anderen Ländern zurückgehen. Wegen Inzucht. Luchs-Experte Armin Hafner sucht nach Lösungen.

Seinen neunten Sommer als Betreiber einer Urlaubs-Quinta hatte sich Matthew Ambrose (54) anders vorgestellt. Jahrzehntelang hat Matthew Bars und Discotheken in Großbritannien betrieben. Jetzt möchte er mit einem kleinen Gästehaus, inmitten eines grünen Gartens, mit seinem Esel, einem Pony und zwei Hunden ein ruhigeres Leben führen. Doch der Kleinunternehmer befürchtet, dass sein einziger Brunnen versiegt und sein Land verödet.Lärmende Bagger umzingeln sein Anwesen. Für die Anlage einer 50 Hektar großen Avocado-Plantage ist ein portugiesisches Obstbau-Großunternehmen dabei, Korkeichen und Feigenkakteen aus dem Boden zu reißen und Wasserleitungen zu verlegen.Drei tiefe Brunnen sind schon gebohrt, und das, „obwohl uns Bürgern das Bohren neuer Brunnen nach vielen regenarmen Jahren und Waldbränden strengstens verboten ist!“ regt sich Matthew auf.

Das Wohlstandsgefälle und die ungleichen Einkommensverhältnisse in Europa ermöglichen es, dass 300.000 Pflegekräfte aus Osteuropa, die in keiner offiziellen Statistik erfasst sind, in Deutschland arbeiten. Der größte Teil dieser Pflegerinnen in der ambulanten Pflege arbeitet schwarz – wie die Polin Halina (69), die seit Jahren Senioren in Deutschland pflegt und weder kranken- noch unfallversichert ist.Anders ist es bei Barbara (63) aus Imielno in Polen. Sie arbeitet seit zwölf Jahren legal in Deutschland als Altenbetreuerin. Zuvor war sie Versicherungsangestellte, verlor aber ihren Job und fand aufgrund ihres Alters in ihrem Land keine Arbeit mehr. Seit einiger Zeit pflegt sie ein Seniorenpaar in deren Haus in Bremen. Sie steht ihnen rund um die Uhr zur Seite: Kochen, Spülen, die Küche putzen, Medikamente bringen, Einkaufen, Bügeln.Auch Aneta (46) aus Slawkow will nach langer Krankheit als Altenpflegerin in Deutschland arbeiten. Sie hat früher in der Gastronomie gearbeitet, findet aber in Polen wegen der Corona-Pandemie keine Arbeit. „Re:“ begeleitet bsie nach Ascheberg in Nordrhein-Westfalen, wo sie beginnt, einen 80-jährigen Deutschen, der alleine in seinem Haus wohnt, zu pflegen.“Re:“ begleitet die drei polnischen Pflegerinnen und gibt Einblicke in die häusliche Altenpflege, zeigt die menschliche, karitative Seite der Arbeit, aber auch die Probleme, die durch die prekären Arbeitsbedingungen entstehen. (Text: arte)

Sie wollen sich nicht länger verstecken, sondern ihr Jüdischsein offen ausleben – so gut es geht. Zwar gehören junge Jüdinnen und Juden in Polen – dem einstigen Zentrum des europäischen Judentums – zu einer winzigen Minderheit, aber unter ihnen wächst ein neues Selbstbewusstsein. Allen antisemitischen Tendenzen zum Trotz.Radek, ein 19-jähriger Informatikstudent aus Warschau, hat erst vor kurzem von seiner jüdischen Abstammung erfahren. Er ist glücklich, endlich seine wahre Identität gefunden zu haben, lebt plötzlich streng nach den orthodoxen Gesetzen, bringt sich sogar die jiddische Sprache bei.Patrycja (27) und Eryc (23) aus Wrocław gehen nur selten in die Synagoge, aber das junge Paar fühlt sich dennoch im Herzen jüdisch. Das Schabbat-Mahl am Freitag ist für sie der Höhepunkt der Woche. Allerdings wagen sie es nicht, sich außerhalb ihres Freundeskreises als Juden zu erkennen zu geben.

Die Naturschützer*innen Irina Kashpei, Pavel Pinchuk und Elleni Vendras wollen genau das verhindern. Sie haben einen Antrag bei der UNESCO gestellt – Polesien soll Weltnaturerbe werden und so vor den Bulldozern geschützt werden. „Nur noch die Anerkennung als UNESCO Weltnaturerbe kann meine Heimat retten“, sagt Irina Kashpei. Sie ist selbst in Polesien geboren, ihre Großmutter lebt noch in der Region. Es geht um Ihre Heimat und um das Überleben vieler gefährdeter Säugetiere und Millionen von Vögeln.Damit ihr Antrag Chancen hat, machen die Wissenschaftler Grundlagenarbeit. Sie zählen Arten und Tiere, dokumentieren die enorme Biodiversität, sammeln alle Informationen, die ihnen zuträglich sind.Ein Kampf gegen die Zeit – in der Ukraine haben die Bauarbeiten für die gigantische Wasserstraße E40 bereits begonnen. Der Fluss Pripyat, Herzstück Polesiens, wurde an vielen Stellen bereits ausgebaggert und verbreitert – auch in gefährlicher Nähe zum Atom-Reaktor von Tschernobyl.Und dies ist erst der Anfang: Die E40 soll die längste Wasserstraße Europas werden und die Ostsee mit dem Schwarzen Meer verbinden: 2.000 Kilometer vom polnischen Danzig bis ins ukrainische Cherson. Die Zerstörung riesiger Überschwemmungs- und Feuchtgebiete könnte die Folge sein, fürchten Irina und ihre Kollegen. Ebenso wie ein riesiges, menschengemachtes Artensterben. (Text: arte)

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